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Archiv-Artikel

Dunkler, kälter und teurer

KOMMUNALFINANZIERUNG Um ihre Haushalte in den Griff zu bekommen, wollen 60 Prozent der Städte und Gemeinden Leistungen streichen, 84 Prozent die Gebühren erhöhen

116,8 Milliarden Euro Schulden drücken die Kommunen, 10 Prozent mehr als 2009

AUS BERLIN BEATE WILLMS

Im hessischen Schauenburg wird es zwischen 1 und 4.30 Uhr nachts finster, in Konstanz erprobt man, ob Bürger die Lampen nach Bedarf über Handy einschalten können. Städte und Gemeinden in Deutschland sind klamm. „Und das Licht auszuschalten, ist politisch am leichtesten durchsetzbar“, sagt Hans-Peter Busson von der Unternehmensberatung Ernst & Young.

Das will sich jede dritte Kommune zunutze machen. Einer Umfrage unter 300 Stadtkämmerern zufolge planen 60 Prozent der Kommunen Leistungskürzungen. Sie wollen Jugendarbeit einschränken, Schwimmbäder nicht mehr heizen oder schließen, den öffentlichen Nahverkehr ausdünnen, Kitazeiten verkürzen, Schulen dichtmachen. 2010 erwarten die Kommunen ein Rekorddefizit von 15 Milliarden Euro. Dabei schieben die Kommunen nach Daten des Statistischen Bundesamts ohnehin einen Schuldenberg von 116,8 Milliarden Euro vor sich her, 10 Prozent mehr als noch 2009. Der Studie zufolge kann bereits jede dritte Kommune keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen und ist gezwungen, einen Einsparplan für die nächsten Jahre zu erarbeiten und von der Kommunalaufsicht genehmigen zu lassen.

Die Handlungsoptionen sind begrenzt. 84 Prozent der Kommunen wollen Steuern oder Gebühren wie den Grundsteuerhebesatz, die Hundesteuer, Gebühren für Kitas und Ganztagsschulen oder Friedhofsnutzung erhöhen. Und kaum eine Verwaltung macht vor sich selber halt: 96 Prozent wollen Stellen sperren oder streichen und Organisationseinheiten zusammenlegen.

Doch an den Kern des Problems kommen sie selbst nicht heran: Den größten Teil ihrer Einnahmen erhalten die Kommunen aus der Gewerbesteuer und aus ihrem Anteil an der Einkommensteuer. Vor allem die Gewerbesteuer, die seit 1999 eine reine Gewinnsteuer ist, steht und fällt mit der Konjunktur. Nahmen die Kommunen 2008 so noch rund 77 Milliarden Euro ein, waren es 2009 schon 8,6 Milliarden weniger. Für 2010 geht der Arbeitskreis Steuerschätzung nur noch von 65,5 Milliarden Euro aus. Zusätzlich eingeschränkt wird der Spielraum dadurch, dass viele Ausgaben durch Bundes- und Landesgesetze festgelegt sind. So stiegen die kommunalen Sozialausgaben wie etwa die Grundsicherung im Alter oder Jugendhilfe seit 2000 um 53 Prozent, ohne dass die Kommunen darauf Einfluss hätten.

Eine Gemeindefinanzkommission, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eingesetzt hat, soll bis Herbst Vorschläge für eine Neuordnung der Kommunalfinanzierung erarbeiten. Die FDP will die Gewerbesteuer abschaffen und durch einen höheren Anteil an der Einkommen- und der Mehrwertsteuer ersetzen, was nach Berechnungen der Arbeitsgruppe Kommunalsteuern Steuerausfälle von bis zu 6,1 Milliarden Euro bedeuten würde. Der Deutsche Städtetag will die Gewerbesteuer stattdessen auf Freiberufler ausweiten.