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Archiv-Artikel

Angstfreier, stahlnerviger Jungtexaner

GOLF Der erst 21-jährige Jordan Spieth gewinnt verblüffend souverän und mit Rekordwerten das US Masters in Augusta

Manche sprechen schon von einer neuen Ära. Von Wachablösung. Vom weißen Tiger

VON BERND MÜLLENDER

Ganz am Ende, als schon das Lächeln des werdenden Siegers über sein junges Gesicht huschte, wurde er doch noch unkonzentriert. Auf dem letzten Grün schob Jordan Spieth seinen Put aus kurzer Entfernung vorbei. Es wäre der Allzeitrekord gewesen, 269. So musste er lächelnd noch mal ran. Es wurden also 270 Schläge, 18 unter Platzstandard, Masters-Rekord eingestellt. Mit 28 Birdies. Was das war? Auch Bestmarke. Mit 21 Jahren. Nie war ein Sieger jünger.

Der Golfprofi Jordan Spieth gewann auf derart verblüffend souveräne Weise die 79. Masters in Augusta, dass er umgehend in die Burschenschaft der ganz großen Branchenstars eintrat. Manche sprechen schon von einer neuen Ära. Von Wachablösung. Vom weißen Tiger. Woods selbst, viermaliger Sieger in Augusta, spielte nach langer Verletzungspause ein durchaus starkes Turnier und belegte am Ende, zeitweilig auf Platz 5 liegend, mit 13 Schlägen Rückstand Platz 17. Immerhin war er wieder wettkampffähig.

Jordan Spieth war in Augusta, beim Turnier der Turniere, erst das zweite Mal dabei. Und hatte die ersten drei Tage nach Belieben beherrscht. 130 Schläge nach zwei Tagen: Masters-Rekord. 200 Schläge nach drei Tagen: Auch das gab es noch nie. Bei seinem Start-Ziel-Sieg (der erste seit 1976) war der unscheinbare, blasse Mann, dessen Haare sich schon lichten, seit Donnerstagnachmittag immer vier Schläge voraus, zeitweilig auch sieben. 21 Jahre jung war auch Tiger Woods bei seinem ersten Masters-Erfolg. Noch ein Rekord egalisiert.

Die größte Gefahr souveräner Vorsprünge ist die Angst vor dem Gewinnen. Sie war bei Spieth am Schlusstag nie zu spüren, obwohl hinter ihm auf den Plätzen 2 bis 5 vier Gegner mit zusammen 24 Major-Titeln auf Fehler lauerten. Doch der stahlnervige Jungtexaner ist kein Greg Norman, der 1996 in Augusta ebenfalls mit sechs Schlägen Vorsprung auf die Schlussrunde ging und einbrach. Und auch kein Rory McIlroy, der 2011 auf den letzten neun Löchern deutlich führend die Bälle plötzlich wie paralysiert in Wälder und Wässer schoss. Jordan Spieth ist auch nicht wie ein gewisser Jordan Spieth bei seiner Masters-Premiere im Vorjahr, als er im Zweikampf mit Bubba Watson bis Mitte der letzten Runde gleichauf lag – und am Ende nichts mehr richtig traf.

Auch am Schlusstag behielt dieser JS aus Texas, der schon in den Wochen zuvor bei drei Turnieren entweder gewonnen hatte oder Zweiter wurde, immer seinen satten Vorsprung. Kamen die beiden letztlich Zweitplatzierten, der Engländer Justin Rose und Landsmann Phil Mickelson, mal einen Schlag näher, konterte er umgehend. „Steely, steady, seasoned“, schrieb die New York Times gestern, „eisern, unbeugsam, reif“. Altmeister Mickelson landete zum zehnten Mal bei einem Major auf Platz 2, auch ein Rekord – für den Ehrentitel Leverkusen des Golfsports.

Die Masters 2015 waren auch ein großes Event für die Legenden dieses Sports. Tom Watson gelang als erstem 65-Jährigem mit der 71 am ersten Tag eine Runde unter Par. Und der längst gebeugte Jack Nicklaus (75), der 18-fache Majorsieger (nach wie vor Rekord), erzählte am Dienstag in einem Interview, er habe in mehr als einem halben Jahrhundert Masters nie ein As gespielt. Ob er mal solle? Am nächsten Tag, beim Kurzplatzturnier, lochte er aus 120 Metern vom Abschlag ein. Im Golf ist man nie zu alt. Und zum Gewinnen auch mit 21 nicht zu jung.

Mit all diesen Spektakelmomenten hatten die beiden Deutschen nichts zu tun gehabt. Für beide war bei Halbzeit Schluss. Bernhard Langer hatte genau einen Schlag zu viel. Martin Kaymer landete mit fünf Schlägen über dem Minimalsoll auf Platz 80 von 97 Startern. Der Wundertütengolfer hat noch keine Form gefunden 2015 und „zu viel Respekt vor dem Platz in Augusta“. Er habe „trainiert wie ein Besessener“, könne „alle Schläge, nur hier kriege ich es nicht hin.“

Ganz anders Jordan Spieth, für ihn war es „der größte Tag“ in seinem Leben, er sprach von „dem schönsten Gefühl, das ich je erleben durfte“. Als Takeaway nahm er das bembelhässliche grüne Siegerjackett mit, das an seinem eher schmächtigen Körper eineinhalb Nummern zu groß wirkte. Jetzt ist Spieth hinter Primus Rory McIlroy (in Augusta Vierter) schon Nr. 2 der Weltrangliste. Und gab in seiner soften Art mit weicher Stimme eine freundliche Kampfansage: „Jetzt will ich Nr. 1 werden.“