: Endlich mal erstklassig
Mit dem Verein BG 74 ist Göttingen nach langer Abstinenz wieder in der Basketball-Bundesliga vertreten. Die Begeisterung für das Team ist groß – auch wenn schon wieder der Abstieg droht
von Reimar Paul
Die Stimmung war erstklassig, die Leistung mal wieder nicht. Mit einer 69 : 85-Niederlage gegen den Vizemeister und derzeitigen Tabellenzweiten Artland Dragons aus Quakenbrück startete Basketball-Bundesligist BG 74 Göttingen am Samstagabend ins neue Jahr. Mit derzeit 8 : 20 Punkten schwebt die BG damit weiter in akuter Abstiegsgefahr: Die Göttinger hatten zwar ihre ersten beiden Saisonspiele gewonnen, verloren seitdem aber zehn von zwölf Partien.
Der Auftakt verlief aus Göttinger Sicht furios. Eine 8 : 3-Führung nach wenigen Minuten und zwei „Dreiern“ durch Darren Brooks, die erste Auszeit der verunsichert wirkenden Dragons und ein aufgedrehtes Publikum. „Drachentöter, Drachentöter“-Sprechchöre donnerten durch die Halle, Stampfen, Klatschen, Trommeln. Den Gästen gelang zunächst aus dem Feld heraus wenig, nur über Freiwürfe konnten sie sich langsam heranarbeiten. Und dann schlichen sich bei der BG die seit Saisonbeginn bekannten Fehler ein: Unnötige Fouls in der Abwehr, ungenaues Aufbauspiel und vor allem eine eklatante Abschlussschwäche.
Über viele Minuten gelang den Gastgebern kein einziger Dreier. Die Dragons wurden in der Folge sicherer und gewannen schließlich souverän mit 16 Punkten Vorsprung. Damit haben sie nach zuletzt zwei Niederlagen wieder allerbeste Aussichten, sich auf Dauer an der Tabellenspitze festzusetzen.
Während die BG-Frauen schon länger erstklassig spielen und in der Damen-Bundesliga derzeit Platz 5 belegen, war die Herren-Mannschaft der BG 74 erst im Herbst in die erste Liga aufgerückt. Und hatte damit nach 19 Jahren die Göttinger Männer-Abstinenz im Liga-Oberhaus beendet. In den 1980er Jahren war die Stadt nämlich eine Basketball-Hochburg: Der ASC Göttingen gewann 1980, 1983 und 1984 die deutsche Meisterschaft.
Seitdem hat sich viel verändert. Bestanden die früheren Göttinger Meisterteams mehrheitlich aus Studenten, kommen heute – wie überall in der Bundesliga – überwiegend US-Profis zum Einsatz. Viele Clubs werden nach ihren Hauptsponsoren benannt und ziehen von alten Schulsporthallen in moderne Multifunktionsarenen um.
Die BG 74, die den ASC als Göttinger Top-Mannschaft abgelöst hat, versucht, sich den Neuerungen anzupassen. Noch vor dem Aufstieg wurde eine private Gesellschaft ins Leben gerufen, die den Spielbetrieb der Herren- und Damen-Bundesligamannschaft managt. Zurzeit wird ein überregionaler Sponsor gesucht, der auch im Vereinsnamen auftauchen soll. Für Geldeinwerbung und Marketing ist der ehemalige Nationalspieler Ulrich Frank zuständig. „Im ersten Jahr wollen wir nur überleben“, sagt der frühere ASC-Spieler. „Langfristig peilen wir dann an, uns im oberen Drittel zu etablieren.“
Die Rahmenbedingungen dafür sind nicht schlecht. Im Sponsorenpool der BG sind mittlerweile rund 100 regionale Firmen vereint. Die Tendenz sei steigend, heißt es im Verein. Die Stadt Göttingen lässt die BG 74 zu vergünstigten Konditionen in der Lokhalle spielen – der frühere Bahnschuppen wurde schon vor Jahren zum modernen Veranstaltungszentrum umgebaut. Obwohl in dieser Saison erst ein Heimsieg gelang, ist die Halle mit durchschnittlich 3.000 Besuchern fast immer gut gefüllt. Am Sonnabend kamen zum Spiel gegen die Artland Dragons sogar fast 3.400 Besucher.
Sportliche Konkurrenz ist in der Universitätsstadt weit und breit nicht in Sicht. Erstklassigen Mannschaftssport zeigten in Göttingen zuletzt außer den Basketballern nur die Kanupolo- und Bahnengolf-Spieler. Im Fußball spielt die Stadt schon lange keine Rolle mehr: Der Traditionsverein Göttingen 05 musste 2002 Konkurs anmelden und die Überbleibsel fusionierten mit einem Vorortclub.
Die Rahmenbedingungen stimmen, aber sportlich muss die BG 74 noch deutlich zulegen. Positiv wird vermerkt, dass der Aufsteiger fast in jedem Spiel mithalten konnte. Zum Kader gehören acht Spieler aus den USA, mit Michael Schröder oder Marco Grimaldi gibt es aber auch eigene Nachwuchstalente. „Wir haben unser Puzzle noch nicht zusammen, aber alle Teile in der Hand, die man dafür braucht“, sagt Trainer John Patrick.
Der US-Amerikaner, der schon für die BG 74 spielte, lobt „Charakter und Lernfähigkeit“ seines Teams. Bei den Fans ist Patrick aber umstritten: Ihm gelinge es nicht, das Team richtig heiß zu machen, wird beklagt.