: Anup und Kollegen
Globaler Blick aufs Kino: Der Dokumentarfilm „Comrades in Dreams“ stellt vier Filmvorführer in vier Ländern vor
Mit „Titanic“ kann das Publikum in der indischen Wüste wenig anfangen. „Zu dem Wasser haben die Zuschauer hier keinen Bezug“, erklärt einer. „Und es passiert auch zu wenig. Die Leute wollen ihren Freunden hinterher von den Filmen erzählen. Ein riesiges Schiff, das untergeht, mehr geschieht doch nicht.“ Anup, der ein florierendes Wanderkino betreibt, wird den US-Blockbuster hier nicht noch einmal vorführen. Die Bollywood-Filme laufen, wie überall in Indien, viel besser als die Hollywood-Produkte.
Vier Filmvorführer stellt Uli Gaulkes Dokumentarfilm „Comrades in Dreams“ vor, die Bedingungen, unter denen sie arbeiten, könnten unterschiedlicher nicht sein. Wo immer Anup mit seinen Zelten auftaucht, ist der Andrang riesig, die Kinoverrückten drängeln sich an den Eingängen. In Burkina Faso sieht das anders aus. Lassane, Luc und Zakaria kämpfen rund um die Uhr darum, die Leute in ihr festes Open-Air-Kino zu bekommen. Das staatliche Kinosystem in Burkina Faso ist zusammengebrochen, die drei jungen Männer haben das leer stehende Kino gemietet. Ihr Programm ist gemischt, es gibt afrikanische Filme, aber auch Produktionen aus Holly- und Bollywood. „Titanic“ ist hier ein Hit, der die Säle füllt.
Von Hollywood dagegen keine Spur, versteht sich, in Nordkorea. Han Jong Sil, die ein Kino in einer Kolchose betreibt, sieht den Film als Propagandamaschine und erfolgreiche Unterstützung bei der Steigerung der Ernteerträge. Brav marschieren die Kolchosen-Arbeiter in Zweierreihen ins Kino. Die Ausschnitte, die man sieht, aus einem Film mit dem Titel „Der Duft“, strafen die These der reinen Funktionalität des Kinos jedoch Lügen. Zwar geht es viel um die koreanische Nationalspeise Kimchi in dem Film – im Zentrum steht aber die Frage, ob es einer Großmutter und einem Großvater gelingt, ihre Enkel miteinander zu verkuppeln.
„The Flick“ heißt das alte Kino irgendwo auf dem Lande im US-Staat Wyoming, das Penny Tefertiller betreibt. Geld ist damit kaum zu machen, Pennys Freundinnen an der Kasse bekommen zur Entlohnung nur Popcorn mit nach Hause. Gerade läuft „Mr. and Mrs. Smith“, aber natürlich war „Titanic“ ein Riesenerfolg. Dennoch sieht das Kino hier aus wie eine sterbende, wenn nicht eine längst gestorbene Kunst. In Indien blüht es, in Afrika bleibt es auf Privatinitiativen angewiesen, und Nordkorea ist wirklich nicht von dieser Welt. Viel mehr erfährt man nicht, denn an die Stelle von präziser Gesellschaftsbeobachtung setzt Uli Gaulke von Musikklischees untermaltes Lokalkolorit und die Frage nach dem privaten Liebesglück und -unglück der FilmvorführerInnen. Schade, da wäre mehr drin gewesen. EKKEHARD KNÖRER
„Comrades in Dreams“. Regie: Uli Gaulke. Dokumentarfilm. Deutschland 2006, 106 Min.