: Tabakfirmen: Wirte, bleibt brav
Verbote ignorieren? Die Zigarettenindustrie rät ab. Sie sagt, Hersteller und Kunden bräuchten endlich Planungssicherheit. Offene Attacken überlässt sie der Gastro-Lobby
BERLIN taz ■ Trotz der Kulanz vieler Behörden rät ausgerechnet die Zigarettendindustrie den Wirten zur Einhaltung der Rauchverbote. „Die Regeln sind bindend“, sagt British-American-Tobacco-Sprecher Ulf Bauer. „Wir rufen nicht zum Rebellentum auf. Niemandem ist mit einem Kleinkrieg gedient.“ Reemtsma-Sprecher Sebastian Blohm erklärt: „Gesetz ist Gesetz. Wir sagen unseren Geschäftspartnern in der Gastronomie, dass sie sich an Recht und Gesetz halten müssen.“ In diesem Sinne äußert sich auch Marktführer Philip Morris.
Zum Jahresbeginn waren in acht weiteren Bundesländern Rauchverbote in der Gastronomie in Kraft getreten. Viele Behörden haben angekündigt, erst später Bußgelder zu verhängen. In Berlin treten die Bußgeldbestimmungen überhaupt erst im Sommer in Kraft. Deshalb wird in vielen Lokalen einfach weiter gequalmt. Manche Wirte versuchen, das Verbot zu umgehen, indem sie ihre Kneipe zum Club umwidmen, zu dem nur Mitglieder Zugang haben.
Die braven Appelle der Zigarettenindustrie sind insofern bemerkenswert, als die Branche in der Vergangenheit in vergleichbaren Situationen anders agierte: Vor fast 20 Jahren etwa, als es bei der Lufthansa mit den Qualmverboten ernst wurde, beschlossen Tabakmanager, Zwischenfälle mit Rauchern in Nichtraucher-Maschinen zu provozieren. Zudem sollte die Wut der rauchenden Kunden gefördert werden: genau der Kleinkrieg, der jetzt angeblich vermieden werden soll.
Früher förderte der Verband der Cigarettenindustrie vdc die Initiative „Raucher wehrt Euch“, wie aus alten Unterlagen der Lobbyorganisation hervorgeht. Heute lässt Reemtsma lediglich für einige Hamburger Zigarettenfreunde T-Shirts drucken („Die Raucherrebellen“).
Zurzeit haben die Firmen das Problem, dass ihre Lobbyorganisation erst wieder in Gründung ist. Der VDC zerbrach vergangenes Jahr, weil die Konzerne sich über Tabakwerbeverbote und die Besteuerung zerstritten hatten. In einigen Monaten soll eine neue Interessenvertretung offiziell starten.
Gegen zu viel lauten Widerstand spricht, dass die leidige Diskussion ums Rauchverbot der Industrie schadet, da sie die Konsumenten kirre macht. „Wir brauchen Planungs- und Rechtssicherheit für uns und unsere Kunden“, sagt Ulf Bauer, der Sprecher von BAT (Lucky Strike, Gauloises, Dunhill). Damit Rauchen in Teilen der Gastronomie möglich und einigermaßen cool bleibt, versuchen die Unternehmen den Wirten zu helfen. Sie geben Ratschläge, wie sie Raucherbereiche gestalten können. Ausgewählte Kneipen bekommen statt Aschenbechern nun Decken oder Strandkörbe geliefert. Reemtsma lässt demnächst einen mobilen Raucherraum durchs Land tingeln: einen VW-Bus mit dem Logo der Marke JPS. Einige Kneipen erhalten auch finanzielle Hilfe, etwa wenn sie eine Glaswand vor dem Raucherbereich hochziehen. Philip Morris (Marlboro, F6) bietet seinen Kooperations-Gaststätten große rechteckige Schirme mit textilen Seitenwänden mit Brandschutzbeschichtung, gegebenenfalls mit Heizstrahlern und Beleuchtung, wie die Unternehmenssprecherin Elfriede Buben sagte. „Das Ziel ist, den erwachsenen Rauchern eine Möglichkeit zu bieten, ihre Zigarette in einem entgegenkommenden Umfeld zu konsumieren.“
Den Part des offenen Widerstands übernimmt im Moment nicht die Tabakbranche selbst, sondern der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Er hebt die Sorgen der kleinen Eckkneipen hervor. Der Dehoga unterstützt auch die Verfassungsbeschwerde eines Wirtes beim Bundesverfassungsgericht. Die Klage vertritt der CDU-Politiker und ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz. Der allerdings ist nun wieder ein ganz alter Freund der Zigarettenindustrie. GEORG LÖWISCH