: „Wichtig sind Erfolgserlebnisse“
Die Kieler Klimaschutz-Aktion „nordlicht“ will zu ökologischem Handeln animieren: Wer mitmacht, soll nicht nur Energiesparlampen kaufen, sondern auch andere dazu animieren. Ein Mix aus Selbstverpflichtung und sozialer Kontrolle
FRIEDEMANN PROSE, 63, ist seit 1980 Dozent für Ökologische und Sozialpsychologie und Soziales Marketing an der Universität Kiel.
INTERVIEW PETRA SCHELLEN
taz: Herr Prose, zentrales Motto Ihrer „Nordlicht“-Aktion zum Mitmachen ist der Satz: „Wir werden immer mehr.“ Ist das Einzeltätertum das Haupthemmnis für umweltfreundliches Verhalten?
Friedemann Prose: Das kollektive Vorgehen erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit und erleichtert die Teilnahme. Wenn ich allein etwas tue, bin ich unsicher und weiß nicht, was es bringt. Wenn ich aber in meinem Freundeskreis beobachte, dass auch andere etwas tun, hat das einen stabilisierenden Effekt.
Wobei diese Gemeinschaft doch bloß imaginär ist: Bei der Energiesparlampen-Aktion etwa vermeldet man seine Erfolge über das Internet.
Bei den Rückmeldungen registrieren wir aber auch die Postleitzahl. Man kann also nachsehen, wie viele Menschen sich in der eigenen Stadt oder im eigenen Viertel beteiligt haben.
Hat aber das Rückmelden nicht auch einen Kontrollaspekt und schreckt manchen ab?
Die Teilnahme ist natürlich freiwillig. Kontrolle in dem Sinne, dass wechselseitig Einfluss genommen wird, existiert aber natürlich schon. Denn schon wenn ich kommuniziere, was mir wichtig ist und andere frage, ob sie sich beteiligen wollen, habe ich schon Einfluss ausgeübt.
Ist Teil des Konzepts auch das Maßhalten? Damit man nicht anfängt, manisch jede Lampe auszuschalten, sobald man für zehn Sekunden den Raum verlässt?
Genau das wollen wir nicht. Zumal Beleuchtung nur einen winzigen Teil des Energieverbrauchs ausmacht. Wir propagieren auch nicht, dass die Beleuchtung ausgeschaltet wird. Wir sagen: Es gibt energiesparende Technik: Mit einer Energiesparlampe spart man fast acht Zentner CO2. Es geht um Pragmatismus und nicht darum, aus quasi-religiösem Antrieb zu handeln.
Sie schlagen sieben Schritte vor, um ökologisches Verhalten leichter zu machen.
Ja – wobei man vorwegschicken muss, dass es zwei Arten von Änderungen gibt: Da ist einmal die umweltfreundliche Einzelentscheidung, die Kaufentscheidung für eine Energiesparlampe zum Beispiel. Komplexer sind unsere Gewohnheiten. Ich kann zwar ein energiesparendes Auto kaufen. Aber mein Nutzungsverhalten zu ändern ist komplizierter. Zunächst muss ich eine Bestandsaufnahme der Situationen tätigen, in denen ich mein Auto nutze. Welche Distanzen fahre ich, könnte es für kurze Strecken Alternativen geben? Wenn ich sonntags immer zum Bäcker fahre, könnte ich ja auch mal laufen. Wichtig ist übrigens, dass mir die Alternativen Spaß und Erholung bringen.
Und dann?
Dann beginne ich mir konkrete Ziele zu setzen. Aber nicht nach dem Motto: Ich verzichte komplett auf das Auto, sondern: Auf welcher Strecke, die ich gewohnheitsmäßig fahre, könnte ich versuchen, Kilometer einzusparen? Das Ziel muss bescheiden sein. Es muss zwar ein gewisses Anspruchsniveau haben, aber man darf sich auch nicht überfordern.
Also kein Rundumschlag?
Nein. Das wäre total verkehrt. Wichtig ist, dass man kleine, realistische Schritte tut, damit man durchhält und nicht schnell frustriert aufgibt. Außerdem muss ich mir für diesen ersten Versuch einen Zeitraum setzen. Einen Monat zum Beispiel. Nicht die Indoktrination, sondern das legere Ausprobieren zählt. Nach dem Monat resümiere ich, was herausgekommen ist. War es für mich angenehm? Wie viele Kilometer habe ich gespart? Sind unerwartete Hindernisse aufgetreten? Hänge ich stärker an meinen Gewohnheiten, als ich dachte? Ich überprüfe meine Ziele, stecke neue – und beraume einen neuen Probemonat an.
Wir motiviere ich mich, auf Dauer ökologisch zu leben?
Wichtig sind Erfolgserlebnisse: Ich habe das erfolgreich ausprobiert, ich kann es mir zutrauen, und ich schaffe es. Das macht mich dann ein bisschen stolz. Ich beginne mich umzudefinieren: Vielleicht bin ich ja doch jemand, der umweltbewusst lebt. Wichtig ist aber, immer zu wissen, dass es kein Patentrezept gibt. Jeder muss seinen eigenen, ihm angemessenen Stil finden. So entsteht eine neue Beweglichkeit – im Denken und im Verhalten.
Stärkt die Tatsache, dass man Ziele und Erfolge anderen mitteilt, die Motivation?
Durchaus. Denn wenn ich Freunden, Bekannten, Eltern, Geschwistern sage, was ich mir vorgenommen habe, werden die irgendwann fragen: Hast du es geschafft? Und wenn ich es geschafft habe, bekomme ich eine gewisse Anerkennung durch mein Umfeld. Wenn ich es nicht geschafft habe, ist es ein bisschen peinlich. Dieser Mechanismus ist zur Stabilisierung von Verhalten sehr wirksam.
Aber auch wenn wir alle riesig sparen, ist das Klima noch nicht gerettet – die wahren Sünder sitzen in der Industrie. Ist Ihre Aktion nicht Augenwischerei?
Nein. Wir haben unsere Aktion bewusst begrenzt, indem wir die privaten Haushalte angesprochen haben. Das ist kein Allheilmittel, und dass auch an anderen Stellen etwas getan werden muss, ist klar. Aber die Haushalte produzieren immerhin ein Drittel des Energieverbrauchs. Wenn sich die Verbraucher also einig sind, kann das einen großen Effekt haben.
Was hat „Nordlicht“ bewegt?
Die Aktion hat Anfang der Neunziger als Low-Budget-Aktion begonnen. Als Forschungsprojekt an der Kieler Universität haben wir das Angebot samt Handlungs- und Rückmelde-Vorschlägen ins Internet gestellt. Und es hat funktioniert: Innerhalb eines halben Jahres waren in Kiel die Energiesparlampen ausverkauft – und damals haben die noch 40 Mark gekostet. Gemeinsam mit der örtlichen Presse haben wir eine Hitliste erstellt, aus der hervorging, welcher Stadtteil führend war. Das war für einige eine Motivation zu sagen: Unser Stadtteil soll nicht mehr an zehnter Stelle stehen, wir kaufen jetzt Energiesparlampen. So haben wir es geschafft, die Aktion in ganz Deutschland zu verbreiten.
Wie viele Menschen haben bis jetzt teilgenommen?
Rückmeldungen kamen von 5.000 Menschen. Aktiv waren vermutlich weit mehr.
Internet: www.nordlicht.uni-kiel.de