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Archiv-Artikel

„Ich kann Wulffs Angst verstehen“

Wolfgang Jüttner freut sich über eine neue Umfrage: Niedersachsens SPD-Spitzenkandidat ist sicher, in den letzten Tagen vor der Wahl weiter punkten zu können. Und das Liebesleben seines Kontrahenten sei kein Thema mehr

WOLFGANG JÜTTNER, 59, trat 1970 in die SPD ein, seit 1986 ist der Soziologe Landtagsabgeordneter, seit 2005 Chef der Landtagsfraktion.

INTERVIEW KAI SCHÖNEBERG

taz: Herr Jüttner, Sie thematisieren öffentlich wenige Tage vor der Wahl das Liebesleben des Ministerpräsidenten. Lässt sich das Wahlkampf-Niveau noch weiter senken?

Wolfgang Jüttner: Unsere Wahlkampf-Themen heißen Mindestlohn, Chancengleichheit, Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts und wirtschaftliche Dynamik für Niedersachsen. Daran wird sich nichts ändern.

Eine neue NDR-Umfrage sieht Ihre SPD immer noch zehn Prozentpunkte hinter der CDU, eine Regierungsoption haben Sie für die Demoskopen nach dem 27. Januar nicht. Für CDU und FDP gelten Sie als Zählkandidat, gar als Kanonenfutter. Warum tun Sie sich das noch an?

Anfang des Jahres gab es noch keine Wahlkampf-Atmosphäre. Das hat sich nun dramatisch geändert: Es ist Bewegung drin. Die Wechselstimmung ist um zehn Prozent gestiegen, die Unzufriedenheit mit der Landesregierung wächst stark, die Werte des gegenwärtigen Ministerpräsidenten fallen. Diese Bewegung ist deutlich und in der Sonntagsfrage erst vorsichtig erkennbar. Außerdem gilt: 30 Prozent entscheiden in den letzten zehn Tagen. Dieser Zeitraum beginnt jetzt. Unser Wahlziel bleibt: stärkste Kraft werden.

Haben Sie noch einen Joker in der Tasche, um das Ruder in den letzten Tagen herumzureißen?

Nein. Das SPD-Thema Gerechtigkeit ist richtig, unser Drehbuch ist stimmig, unsere Plakate sind mit Abstand die besten. Hibbelig werden können andere.

Ein Bündnis von Rot-Grün mit der Linken scheint Ihre einzige Chance, die schwarz-gelbe Koalition zu stürzen. Es müsste Sie eigentlich freuen, dass die Linke bei den Demoskopen nun die Fünf-Prozent-Hürde knackt und damit in den Landtag einzieht. Oder?

Diese Partei hat weder personell noch inhaltlich etwas zu bieten. Eine Zusammenarbeit schließe ich aus.

Bei der FDP wird die „One-Man-Show“ rund um Guido Westerwelle kritisiert, von der Niedersachsen-SPD ist höchstens Wolfgang Jüttner öffentlich zu vernehmen. Macht Ihr Schattenkabinett noch mit beim Wahlkampf?

Mein Niedersachsen-Team ist kontinuierlich im Land unterwegs, ich bin stolz auf alle.

Nun gut. Was werden Sie als erstes tun, falls Sie die Wahl gewinnen?

CDU IM ABSCHWUNG

Die gute Stimmung für die CDU in Niedersachsen schwindet, die SPD legt zu, die Linke kommt mit fünf Prozent der Stimmen bei der Wahl am 27. Januar in den Landtag. Laut einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der ARD-Tagesthemen erreicht die CDU bei der Sonntagsfrage 44 Prozent – einen Prozentpunkt weniger als in der Vorwoche. Die SPD kommt auf 34 (+ 1). Die FDP bleibt unverändert bei sieben Prozent, so viel wie die Grünen (- 1). Die Zufriedenheit mit der CDU-FDP-Koalition sinkt auf 47 Prozent (- 6). Könnten die Niedersachsen den Ministerpräsidenten direkt wählen, würden sich 55 Prozent für CDU-Amtsinhaber Christian Wulff (- 8) entscheiden, 27 Prozent (+ 4) für seinen SPD-Herausforderer Wolfgang Jüttner. 44 Prozent der Niedersachsen wollen, dass die künftige Landesregierung von der CDU (-8) geführt wird, 41 Prozent sind für die SPD (+ 2). Die repräsentative Stichprobe wurde vom 14. bis zum 16. Januar erhoben. ARD-Wahlexperte Jörg Schönenborn mahnte bei der Beurteilung der Zahlen zur Vorsicht: „Wir haben es im Moment mit extremen Stimmungsschwankungen zu tun. Die Zahlen sind eine Momentaufnahme.“ Noch könnten sich die Stimmenanteile verschieben. KSC

Wir werden erst mal in der Landesregierung durchlüften, den Staub der vergangenen Jahre wegfegen. Zunächst werden die Studiengebühren und das Errichtungsverbot für Gesamtschulen abgeschafft, das Vergabegesetz geändert, die Grundlagen für die Härtefallkommission werden humaner gestaltet. Und und und.

CDU-Ministerpräsident Christian Wulff hat gerade angekündigt, die Uni-Gebühren für ehrenamtlich Engagierte teilweise zu erlassen. Damit schnappt er Ihnen noch ein Thema weg, oder?

Wulff treibt doch nichts als die Angst um, die Wahl zu verlieren. Ich kann das verstehen. Ein durchsichtiges Wahlkampf-Manöver, genauso wenig glaubwürdig wie seine anderen Ankündigungen.

Gibt es auch etwas, was Sie an Ihrem Kontrahenten schätzen?

Ja. Er soll ganz gut Basketball spielen können.