Schön eingeseift

In seinem Klassiker über die „Kunst der Public Relations“ verteidigt Edward Bernays seine Branche und ihren Nutzen für die Demokratie

VON ULRIKE WINKELMANN

Als die Firma Procter & Gamble einmal den Absatz ihrer Seife „Ivory“ erhöhen wollte, veranstaltete sie mit Hilfe des New Yorker Art Centers Wettbewerbe für Schüler und professionelle Bildhauer: Wer modellierte mit Ivory die schönste Seifenskulptur?

Die Bestenauswahl wurde in wichtigen Galerien ausgestellt. Die Wettbewerbe waren ein Riesenerfolg, die Ausstellungen wurden echte Kunstereignisse. Ivory-Seife wurde „Gegenstand öffentlichen Interesses: Mit ihrem Kauf tat man etwas für Kinder“, schreibt Edward Bernays. „Wie auf Knopfdruck begannen die Menschen zu arbeiten, und ihr Lohn war nichts als die Befriedigung, die sie in der Tätigkeit selbst fanden.“

Bernays wählt nicht ganz zufällig dieses Beispiel in seinem Buch „Propaganda“ von 1928, das jetzt erstmals auf Deutsch erscheint. Er selbst war es, der Procter & Gamble mit seiner Wettbewerbsidee zur Absatzerhöhung verhalf. Nicht nur mit „Ivory“, sondern auch einer hübschen Auswahl weiterer eigener Erfolgsgeschichten illustrierte Bernays, was die „Kunst der Public Relations“ vermag und wie sie funktioniert.

Bernays, so lernt man auch im klugen, historisch einordnenden Nachwort des New Yorker Medienwissenschaftlers Mark Crispin Miller, wollte Wirtschaftsführern die PR und damit seine eigenen Dienste empfehlen. Nötig hatte Bernays das nicht, galt der Neffe Sigmund Freuds doch längst als Großmeister seiner Zunft, der alles von Rang und Marke in den USA beriet. Vor allem ging es ihm also darum, die „neue Propaganda“ auch vor der Öffentlichkeit moralisch rehabilitieren.

Denn die amerikanischen Bürger mussten nach dem Ersten Weltkrieg erfahren, dass nicht nur der Feind sich finsterer und manipulativer „Propaganda“ bedient hatte, um gegen die friedliebenden Völker des Westens zu hetzen. Nein, auch sie selbst hatten reichlich Unwahrheiten verabreicht bekommen, damit sie den Krieg unterstützten. Das verstärkte den bösen Beiklang des noch gar nicht lange gebräuchlichen Begriffs, obwohl das Geschäft der Überzeugung von Massen dies gar nicht verdient hatte – fand Bernays.

Propaganda, erklärte er, ist bloß ein Instrument, das dem richtigen ebenso wie den falschen Zwecken dienen kann. Sie ist notwendig um in der wettbewerblichen Demokratie, dem Chaos der Meinungen, Geschmäcker und Interessen für Ordnung zu sorgen – in der Wirtschaft wie in der Politik.

„Unsere Demokratie muss von einer intelligenten Minderheit geführt werden, die weiß, wie man die Massen leitet und lenkt. Ist das gleichbedeutend mit ‚Regieren durch Propaganda‘? Nennen Sie es ‚Regieren durch Bilden und Erziehen‘, wenn Ihnen das besser gefällt“, erläuterte Bernays in trockener Offenheit.

So sehr Bernays auf Offenlegung von Interessen und Transparenz der Mittel Wert legte – er transzendierte seinen Gegenstand an keiner Stelle. „Das Ideal des Berufs“ bestehe darin, dem Gesetzgeber oder dem Unternehmer „klarzumachen, was die Öffentlichkeit will, und der Öffentlichkeit die Ziele und Absichten des Produzenten zu vermitteln.“ Die Öffentlichkeit verstehe zwar selbst immer mehr von PR, werde sich gleichwohl weiterhin danach ausrichten. Die Aufklärung über die Mechanismen von Propaganda werde bloß dazu führen, dass schlechte oder böse Propaganda auch erkannt werde. Kurz: Propaganda und Aufklärung waren für Bernays das Gleiche.

Selbst in einer Propagandaschrift für Propaganda ist das – aus der Feder immerhin des „Vaters der Public Relations“ – etwas zu schlicht und undialektisch. Doch ist es umso verdienstvoller, dass der Freiburger Verlag Orange Press Bernays Buch jetzt ins Deutsche übersetzt hat. Denn genau der zum Teil aufrichtige, zum Teil vermeintlich gute Glauben an Propaganda markiert bis heute einen großen Unterschied zwischen der angloamerikanischen und der deutschen politischen Kultur. Im Zwischenreich von Zynismus und Überzeugung werden Kräfte freigesetzt, die hierzulande recht wenig bekannt sind.

Jeder, der derzeit etwa einen Fuß auf amerikanischen Boden setzt, wird sofort gebeutelt von den Meinungsstürmen im dortigen Wahlkampf. Das liegt nicht nur am gewaltigen Wunsch, die Bush-Regierung abzulösen. Das liegt auch daran, dass und wie Propaganda eingesetzt, dass auf Propaganda herzhaft mit Gegenpropaganda geantwortet wird, dass Legionen von Leuten mit vollem, auch emotionalem Elan daran arbeiten, auf jeden Spin der Gegenseite schnell und schlagend zu kontern.

Die Geschwindigkeit und sprachliche Energie, die im angloamerikanischen Sprachraum darauf verwendet wird, den wirksamsten, tragendsten, zitierfähigsten Begriff für einen Vorgang zu finden, ist als intellektuelle Hochkultur noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Unfassbar lahm – auch im Vortrag – wirken dagegen die mühsam zusammengebosselten Sprachregelungen der CDU- oder SPD-Generalsekretäre hierzulande, die meist nur signalisieren sollen, dass die Dinge komplexer sind, als es sich ins Mikrofon sagen lässt. An der Wahrheit gezerrt wird hier wie dort. Wie sich aber Demokratien in ihrer propagandistischen Kompetenz voneinander unterscheiden, darüber nachzudenken, könnte Edward Bernays Buch einen neuen Anlass liefern.

Edward Bernays: „Propaganda. Die Kunst der Public Relations“. Aus dem Amerikanischen von Patrick Schnur. Orange Press, Berlin 2007, 158 Seiten, 16,90 Euro