: „In aller Offenheit“
Der Deutsche Fußballbund sagt Monate im Voraus schon mal, wie die Presse bei der Europameisterschaft im Juni an die Spieler rankommt: kaum
AUS FRANKFURT/M. ANDREAS RÜTTENAUER
Die Jagd nach dem gesprochenen Wort hat begonnen. Im Juni erst startet die Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, doch schon in dieser Woche hat der Deutsche Fußballbund (DFB) die Sportpresse, vor allem die schreibende, auf das vorbereitet, was in den EM-Tagen auf sie zukommt: Die Journalisten müssen es mitmachen, das Medienspielchen des DFB.
Denn sonst gibt es während der EM kein Interview mit einem Fußballer zu lesen, sondern nur das, was auf den offiziellen Pressekonferenzen ohnehin verkündet wird. Eine Drohung? Nicht doch: „In aller Offenheit“ wollte DFB-Mediendirektor Harald Stenger mit den Journalisten darüber reden, was möglich sein wird bei der Euro 2008.
Weit weg vom Turniergeschehen, in Tenero am Lago Maggiore, wird die deutsche Nationalmannschaft trainieren. Eine Sporthalle soll zum Medienzentrum umfunktioniert werden. Neben dem Pressekonferenz-Saal wird es dort sechs abgetrennte Kämmerchen geben – für die heiß begehrten Einzelinterviews mit den Spielern.
„Einzelinterview“ ist dabei purer Euphemismus: Zehn bis zwölf Medienvertreter sitzen für gerade mal 20 Minuten mit einem Spieler am Tisch. Nachfragen ist so gut wie nicht möglich, eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre kann gar nicht erst aufkommen. Der Boulevardreporter will wissen, wie oft der junge Superstar an seiner Playstation sitzt, ein Vertreter einer Regionalzeitung fragt nach der Resonanz im Heimatkaff, und wer wissen will, warum sich der Stürmer im letzten Spiel so schwergetan hat, kommt eventuell gar nicht zu Wort. Am Ende bastelt jeder daraus sein ganz eigenes Interview.
Viele Kollegen schließen sich sowieso zu einem sogenannten Pool zusammen und schicken dann einen Vertreter zum „Einzelinterview“. Anschließend können alle Poolmitglieder über das Material verfügen und haben das, was die Redaktion von ihnen will: ein „exklusives“ Spielerinterview. DFB-Sprecher Stenger forderte explizit zur Bildung von Pools auf. „Dass erhöht auf jeden Fall die Chancen, ein Einzelinterview zu bekommen.“
Stenger, lange Jahre Sportredakteur bei der Frankfurter Rundschau, weiß selbst, dass diese Art von Stiller-Post-Journalismus fragwürdig ist: „Viele von Ihnen sehen das problematisch“ – aber es sei eben gar nicht anders möglich. Denn die Mannschaft habe ohnehin kaum Zeit, um sich auf die Spiele vorzubereiten. „Wir tun unser Möglichstes“, so Stenger und verwies auf andere Fußballverbände, die nicht viel mehr anbieten würden als die Pressekonferenz zum Spiel, die von der Europäischen Fußballunion (Uefa) vorgeschrieben sei.
Am Mittwoch nächste Woche tritt die deutschen Auswahl zum Testspiel in Wien an. Nationalmannschaft-Manager Oliver Bierhoff beklagt auch hier die knappe Zeit zur Vorbereitung. Doch daran sind nicht die Journalisten schuld. Der Terminkalender ist auch deshalb so prall gefüllt, weil Hauptsponsor Mercedes-Benz am Montag mit den Nationalspielern einen Werbefilm drehen darf. – „Sie sehen, für Einzelinterviews bleibt da wirklich keine Zeit“, kommentiert DFB-Mann Stenger.
Und damit die Presse gar nicht erst auf die Idee kommt, auf den Autobauer sauer zu werden, wurde am Montag schon mal zur großen Presse-Party eingeladen, zum „Media-Kickoff“ von Mercedes-Benz und DFB – Anfang Juni in der mondänen Delta Beach Lounge in Ascona .