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Archiv-Artikel

Einen Spaß macht er sich

Christopher Hitchens schreibt schön, polemisch und originell gegen die Gläubigen. Doch wie das beim Glauben eben so ist – er wird niemanden davon abbringen

VON RENÉE ZUCKER

Der Eifer von überzeugten Nichtgläubigen steht dem von Wie-auch-immer-Gläubigen in nichts nach. Das macht die Lektüre ihrer Schriften irgendwann zu einem abflauenden Vergnügen, wenngleich man Christopher Hitchens vermutlich unter den gläubigen Ungläubigen zu den unterhaltsamsten zählen muss. Zumindest eine Zeit lang.

Wie dem Zoologen und Bestsellerautor Richard Dawkins, den man auch gern „Darwins Rottweiler“ nennt, ist Hitchens Medien- und Modebewusstheit nicht abzusprechen. Internationalen Ruhm erlangte er durch seine kritischen Bücher über Henry Kissinger, Lady Diana und Mutter Theresa. Früher soll er überzeugter Trotzkist gewesen sein. Dafür ist er heute offenbar mit dem Hardliner der Bush-Regierung Paul Wolfowitz befreundet.

Zweimal heiratete er in religiöser Zeremonie – einmal griechisch-orthodox, einmal jüdisch, schreibt er in seinem antireligiösen Bekenntnis „Der Herr ist kein Hirte“. Vermutlich sind die Hochzeitszeremonien eine Demonstration seiner lässigen Unabhängigkeit: Wenn's die Eltern der Braut brauchen – mir macht es nichts aus …

In seinem Buch bezieht sich Hitchens immer wieder auf die zugegebenermaßen recht bizarre Situation in den USA, aber seine Einwände gegen die Religion stützen sich weniger auf wissenschaftliche Argumente als vielmehr auf den so genannten gesunden Menschenverstand, mit dem gesegnet natürlich jedem klar sein muss, dass es keine jungfräuliche Geburt geben kann oder dass Tote höchst selten erweckt werden. Obwohl das, wie in mancher CSI-Folge zu sehen, durchaus auch schon vorgekommen sein soll.

Hitchens hat allerdings laut eigenen Angaben schon, bevor er in den Stimmbruch kam, die wesentlichen vier Einwände gegen jegliche Religiösität entdeckt: „1. Religion stellt die Ursprünge des Menschen und des Universums völlig falsch dar, 2. Sie verbindet infolge dieses Irrtums ein Höchstmaß an Unterwürfigkeit mit einem Höchstmaß an Solipsismus, 3. Sie ist Folge und Ursache einer gefährlichen sexuellen Repression und fußt 4. auf Wunschdenken.“

Es gebe allerdings irdische Wunder, die diesen Glaubensverlust kompensieren: die Werke von Homer, Shakespeare, Tolstoi oder Proust, ganz zu schweigen von der Musik Mozarts. „Als jemand, der nicht ohne Schmerzen in seinem eigenen säkularen Glauben erschüttert wurde und ihn schließlich abgelegt hat, kann ich das guten Gewissens behaupten“, schreibt er und beschreibt seinen harten Weg vom gläubigen Trotzkisten zum befreiten Doktrinenlosen, als der er sich heute „meistens besser – und nicht weniger radikal“ fühlt. Gleiches Wohlgefühl garantiert er dann auch dem Leser, der seinem Weg folgt, was zumindest von rührend missionarischem Eifer zeugt.

Seine Erkenntnisse dürften allerdings auch intelligenten Gläubigen nicht unbekannt sein und sie nicht daran hindern, weiter zu glauben. Was auch immer und aus was für Gründen auch immer. Damit sind wir beim eigentlichen Problem solcher „Konfessionen“: Sie werden keinen Andersgläubigen vom Gegenteil überzeugen. Das Interessante am Glauben ist ja, dass es ein höchst intimer Zustand ist – zumindest in unseren Breitengraden. Und wir sollten alles tun, damit es auch so bleibt. Denn das wäre mein persönliches Credo, wenn ich auch mal was bekennen darf: Sex und Religion gehen keinen etwas an, außer diejenigen, mit denen man das Vergnügen an derlei teilt.

Deshalb verbietet sich auch die Kritik am Vergnügen anderer, wenn sie denn ihres unaufdringlich mit ihresgleichen ausüben. Die Heuchelei, Bigotterie, Gewalttätigkeit, sexuelle Repression und Machtausübung jeglicher Art, die Hitchens und andere gläubige Ungläubige kritisieren, werden bestimmt in allen Religionen praktiziert. Sie sind aber beileibe nicht deren Erfindung, sondern das, was man gemeinhin die Geißeln der Menschheit nennt. Oder wie es Arthur Koestler mal als die drei schlimmen Ks zusammengefasst hat: Katholizismus, Kommunismus, Konspiration.

So liest man Hitchens' neuestes Buch aus Spaß an seinen unterhaltsamen Frechheiten und leidenschaftlichen Empörungen. Für Erwachsene, die wissen, dass es niemals nur eine Antwort auf eine Frage gibt, wird es eben auf Dauer ermüdend, wenngleich es bei Hitchens die eine oder andere Information gibt, die man vielleicht vorher noch nicht wusste. So zum Beispiel bei der immer wiederkehrenden Frage nach dem jüdisch-islamischen Schweinefleischverbot, für das es ja viele unterschiedliche Erklärungen gibt.

Hitchens erzählt im Porcophilie-Kapitel von der anderen Seite – nämlich, dass der spanische Brauch, zu den meisten Anlässen eine Wurst- und Schinkenplatte zu reichen, ihren Ursprung aus der Inquisition hat. Man vermutete bei zu vielen jüdischen und muslimischen Konvertiten den reinen Überlebenswillen und testete sie quasi mit „jamon iberico“ auf ihren wahren Glauben. Ob das stimmt oder nicht – man wird es zukünftig bei keinem Metzgerbesuch mehr vergessen.

Christopher Hitchens: „Der Herr ist kein Hirte. Wie Religion die Welt vergiftet“. Aus dem Amerikanischen von Anne Emmert. Blessing Verlag, München 2007, 352 Seiten, 17,95 Euro