„Ich will Rot-Grün mit viel Grün“

Fünf Interviews zur Bürgerschaftswahl (III): Christa Goetsch, Spitzenkandidatin der GAL, über den Kampf gegen die soziale Spaltung der Stadt, Klimaschutz und Schule für Alle. Ihr Wunschpartner: SPD

Christa Goetsch, 55, ist seit 1997 GAL-Abgeordnete in der Bürgerschaft, und zum zweiten Mal Spitzenkandidatin. Die Lehrerin wohnt mit Mann in Ottensen, ihr Sohn studiert in Berlin.

INTERVIEW: MARCO CARINI
UND SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Frau Goetsch, Sie wollen nach der Wahl eine rot-grüne Koalition in Hamburg. Was ist denn so attraktiv an der SPD?

Christa Goetsch: Wichtig ist der Politikwechsel in Hamburg. Und den gibt es nur durch Rot-Grün mit sehr viel Grün. Nur dann ist eine sinnvolle Bildungs-, Sozial- und Umweltschutzpolitik möglich.

In der Wirtschafts- oder Infrastrukturpolitik fällt die Attraktivität der SPD aber doch deutlich geringer aus?

Ja, da ist sie der CDU näher als uns, keine Frage, vor allem bei Elbvertiefung, Hafen, Industriepolitik und auch Verkehr. Insgesamt aber sind die inhaltlichen Schnittmengen zwischen SPD und GAL deutlich größer.

Ist Schwarz-Grün vorstellbar?

Vor zwei Wochen erst hat der GAL-Landesvorstand per Beschluss klargestellt, dass es keine inhaltliche Basis für Koalitionsverhandlungen mit der CDU gibt. Als Gründe wurden unter anderem genannt: die Genehmigung für das Kohlekraftwerk Moorburg, die Blockade des Weltnaturerbe-Status für das Wattenmeer, die Schulpolitik der CDU oder ihr mangelhaftes Demokratieverständnis. Diese Klarstellung gilt.

Wer GAL wählt, kann sich also darauf verlassen, nicht für Ole von Beust zu stimmen?

Schwarz-Grün war und ist eine völlig spekulative Debatte. Eine GAL, die ein Kohlekraftwerk genehmigt, ist nicht vorstellbar.

Die Abgrenzung der Grünen an die Linkspartei kam allerdings viel früher und deutlicher. Warum wurde da ein klarerer Kurs gefahren als gegenüber der CDU?

Die Linke hat von Anfang an gesagt, dass sie keine Verantwortung übernehmen will. Deshalb war das nie ein Thema für uns. Die Linke stellt sicher viele richtige Fragen, weigert sich aber, Antworten zu finden und diese politisch umzusetzen. Deshalb ist das für uns indiskutabel.

Bei fünf Fraktionen in der Bürgerschaft dürfte es keine Mehrheit geben für Schwarz-Gelb oder Rot-Grün. Was dann? Eine Ampel mit der FDP bilden oder eine große Koalition hinnehmen?

Das ist mir alles zu spekulativ. Ich will Rot-Grün und beschäftige mich jetzt nicht mit bunten Farbenspielereien.

Seit gut einem Jahr sind plötzlich alle für den Klimaschutz. Den Grünen aber nützt die Debatte offenbar nichts. In den Prognosen hat die GAL keineswegs zugelegt, eher noch abgenommen. Warum?

Es ist gut, dass alle das Thema entdeckt haben. Und es ist auch gut, dass Ole von Beust und die CDU ihren Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz zu großen Teilen bei uns abgeschrieben haben. Deshalb ist der ja auch weitgehend solide und sinnvoll. An der Umsetzung hapert es jedoch, siehe den Sündenfall Moorburg. Glaubwürdig ist das nicht.

Warum aber nützt diese Debatte nicht dem Original, also der Öko-Partei GAL?

Ich habe dafür, ehrlich gesagt, keine klare Begründung. Das haben wir ja auch vorigen Monat in Hessen und Niedersachsen gesehen, dass es keine Stimmenzuwächse gab. Deshalb weise ich hier gerne noch mal darauf hin: Wer wirklich dem Klimawandel sinnvoll und entschlossen begegnen will, muss die GAL und ihre ambitionierten Konzepte stärken.

Das zweite große Thema der GAL, die Schulpolitik, hilft offenbar auch nicht.

In einem Offenen Brief hat Christa Goetsch gestern erklärt, was Hamburgs Eltern bei grüner Schulpolitik erwartet. „Wir wollen eine Schule, die begeistert“, schreibt sie. Nach einer Planungsphase von zwei Jahren sollen ab 2010 alle 5. Klassen mit neuen Bildungsplänen arbeiten, die nicht mehr nach Schulform unterscheiden. Es soll dann auch an Gymnasien kleine Klassen mit höchstens 25 Schülern und gezielter Förderung geben. Dafür dürfen bis zur 9. Klasse keine Kinder mehr abgeschult werden. Eltern hätten die Wahl zwischen Schulen mit unterschiedlichen Profilen. So könnten auch Schulen wie das Johanneum Latein behalten. Für alle, die jetzt aufs Gymnasium gehen, werde es Vertrauensschutz geben: „Sie können auch dort ihren Bildungsgang beenden“, versprach Goetsch. kaj

Das sehe ich anders. Wir erfahren viel Zustimmung für unser Konzept einer Schule für Alle, und das nicht nur in der Fachöffentlichkeit. Gerade auch in unseren unzähligen Veranstaltungen seit Jahren wird die grüne Schulpolitik, das Prinzip „9machtklug“, sehr gelobt. Dass es mit dem dreigliedrigen Schulsystem und dem frühen Aussortieren der Kinder so nicht weiter geht, ist doch spätestens seit Pisa allen klar.

Das ist für Sie vermutlich ein Knackpunkt in einer Koalitionsregierung?

Der Prozess zu einer Schule für Alle geht über zwei Legislaturperioden und muss unter großer Beteiligung der Schulen, Lehrer und Eltern durchgeführt werden. Das muss sorgfältig vorbereitet und umgesetzt werden. Ich bin sicher, dass die SPD sich dem nicht verweigern wird.

Welches sind die drei drängendsten Punkte, um die sich ein Senat unter Ihrer Beteiligung umgehend kümmert?

Das erste ist die Wende in der Schulpolitik. Dann muss das Kohlekraftwerk Moorburg verhindert und eine sinnvolle Umwelt- und Klimaschutzpolitik eingeleitet werden. Dazu gehört auch und nicht zuletzt der Verkehrssektor: Unser Konzept der gleichberechtigten Mobilität für alle ist dort ein wichtiger Bestandteil. Drittens muss sofort der Kampf gegen die soziale Spaltung der Stadt aufgenommen werden. Das können und werden Grüne nicht zulassen, dass sich dieser Zustand weiter verschlimmert.

Und wenn es nicht klappen sollte mit dem Regieren? Kämpfen Sie dann wieder als Lehrerin für eine bessere Schule?

Ich denke erst mal bis zum Wahlsonntag. Und ich denke positiv.

Morgen im Interview: Michael Naumann (SPD)