: Wortbruch ohne Folgen
Kurt Becks Ankündigungen, eine SPD-Regierung in Hessen von der Linken wählen zu lassen, hat Hamburgs SPD nicht geschadet
VON HEIDE OESTREICH
So richtig freuen konnte sich gestern nur die Linkspartei. Sie sitzt nun auch in der Hamburger Bürgerschaft – und hat damit die Politik der Hansestadt vor neue Probleme gestellt. Denn die geschwächte CDU bekäme noch nicht mal mit der FDP, die gestern am frühen Abend noch um die 5 Prozent herumeierte, eine Koalition zusammen. Und für SPD und Grüne reicht es dank der Linken auch nicht mehr. Und so strahlte erst einmal Spitzenkandidatin Dora Heyenn am Abend in die Kameras: „Wir bekommen endlich eine vernünftige Opposition in der Bürgerschaft“, meinte sie und zählte gleich auf, dass sie die Abschaffung der Studiengebühren, kostenlose Schulessen und ein Sozialticket fordere.
Zweite Wahlgewinnerin war die SPD, die sich aus ihrem 30,5-Prozent-Loch bei der letzten Bürgerschaftswahl auf über 33 Prozent herausarbeiten konnten.
Nützen tut der SPD das wenig: Allenfalls als Juniorpartnerin in einer großen Koalition kann sie enden. Es sei denn, nach dieser Wahl endet die Quarantäne, die die Sozialdemokraten bisher über die Linke verhängt hatten. Wollte man dieser Option nachgehen, dann könnte man den Hinweis des SPD-Chefs Kurt Beck, in Hessen könne sich die SPD von der Linken zumindest inthronisieren lassen, als eine Art Versuchsballon lesen: Wird die Hamburger SPD nach dem Start des Ballons nicht fürs Schielen nach links abgestraft, dann könnte daraus ein ernsthaftes Zuzwinkern werden.
Denn so richtig verfangen hat das Wahlkampf-Endgetöse der Bundes-CDU nicht. Die Wähler in Hamburg hätten „die einmalige Chance, über den Wortbruch von Herrn Beck und Frau Ypsilanti abzustimmen“, hatte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla noch am Samstag getönt. Nun hat Spitzenkandidat Naumann aber deutlich zugelegt. Der „Wortbruch“ wird offenbar nicht auf die Goldwaage gelegt. Den Hut aber hat nun der Wahlverlierer auf. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust ist von der absoluten Mehrheit auf unter 45 Prozent gerutscht. Damit liegt die CDU immer noch am oberen Rand dessen, was die Meinungsforscher ihr in den vergangen Wochen vorhergesagt haben. Und die Messlatte lag extrem hoch: Die 47 Prozent von 2004 waren ein Ergebnis, das nur auf dem absoluten Tiefpunkt der Hamburger SPD zu erreichen war und mit einer FDP, die sich in der Koalition mit CDU und Schillpartei bis auf die Knochen blamiert hatte. Insofern waren bei der CDU Verluste einkalkuliert. Beust hat die Hamburger CDU dennoch auf einem Niveau etabliert, von dem über Jahrzehnte niemand in der Partei zu träumen gewagt hätte.
Als stärkste Partei kann die CDU nun nach Herzenslust sondieren: Den Grünen hatte von Beust schon vor der Wahl Avancen gemacht, mit der SPD, vor allem mit deren Spitzenkandidaten Naumann kann von Beust ebenfalls.
Hamburgs Grüne könnten sich deshalb zwar aufgewertet sehen. Doch die ersten Prognosen auf den Fernsehbildschirmen im Congress Centrum Hamburg waren trotzdem ein Schlag für die Grünen. 9,5 Prozent stand da. Ahnen konnten sie es ja; kontinuierlich waren ihre Umfragewerte in den letzten Wochen gesunken. Aber jetzt steht es da, in schwarzen Ziffern. „Ich hoffe, dass wir noch zweistellig werden“, sagte Landesvorsitzende Anja Hajduk da noch und wollte sich zu möglichen Gesprächen mit der CDU noch nicht äußern. Auch Parteichef Bütikofer wich zunächst aus: „Die Politik, die Ole von Beust gemacht hat, wird von uns nicht unterstützt, weder vor noch nach der Wahl. Insbesondere bei Bildungs- und Umwelt wollen die Hamburger eine andere Politik.“
Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt zeichnet sich ab, dass die Grünen an der Elbe diesmal unter ihrem Wahlergebnis von 2004 (12,3 Prozent) bleiben dürften. Für die Grünen ist das nicht nur ein bitterer Verlust von ein paar Punkten. Er könnte sich zur innerparteilichen Zerreißprobe ausweiten. Denn die Debatte, die die Grünen im Wahlkampf tunlichst zu vermeiden versucht hatten, holt sie jetzt ein: Wird Hamburg das erste schwarz-grün regierte Bundesland?
Nun hat die Linkspartei sie Stimmen gekostet. Und Ole von Beust mit seinen Avancen. Je deutlicher er für Schwarz-Grün warb, desto unakzeptabler erschienen plötzlich die Grünen in den Augen ihrer Wähler. Ein Bündnis mit der CDU, das ist für viele rot-grüne Lagerwähler Teufelszeug – ungeachtet des bürgerlichen Hamburger grünen Milieus: In zwei Bezirken des Stadtstaats regieren die Grünen längst harmonisch mit den Christdemokraten.
Bis zuletzt hatten Landes- wie Bundesgrüne versucht, die drohende Wähler-Abwanderung zur Linken abzuwenden. Die Bundesfraktionsvizechefin Krista Sager, einst Zweite Bürgermeisterin der Hansestadt, warf der Linken in Anspielung auf deren DPK-Kandidaten gar vor, Menschen mit einem „gestörten Verhältnis zur Demokratie“ in die Parlamente zu verhelfen.
Nun stehen die Grünen vor einer bitteren Wahl: Bestraft fürs schwarz-grüne Geplänkel, sind sie wohl eher in der Opposition glaubwürdig denn als grünes Anhängsel des schwarzen Bürgermeisters. Die Linke hat sie alle geschafft. Wichtigstes Ergebnis der Wahl ist wohl deshalb: Alle haben Angst vor der Linkspartei – nur die WählerInnen nicht.