: Grantige Turteltaube
Wie die meisten großen Künstler, die Österreich hervorgebracht hat, musste Alfred Hrdlicka zuerst einmal im Ausland Karriere machen, bevor er zu Hause die Anerkennung fand, die er verdient. Dass er sie verdient, daran besteht für den gelernten Zahntechniker kein Zweifel. „Ich war mal der Größte, das können Sie mir glauben“, vertraute er jüngst der Zeit an. „War“, weil er vom Behauen der Steine wegen Abnutzung der Wirbelsäule lassen musste. Heute malt er nur mehr, aber das wie besessen. Auguste Rodin imponiert ihm nicht. Gerade Michelangelo lässt er neben sich noch gelten. Der habe es verstanden, den menschlichen Schmerz und das Leiden darzustellen.
Die Darstellung von Schmerz und Leiden zieht sich auch durch das Schaffen des Wieners, der abstrakte Kunst immer abgelehnt hat. Ihn treibt die politische Überzeugung, die gewachsen ist, seit er mit ansehen musste, wie sein kommunistischer Vater von der Gestapo schikaniert wurde. Sein Bruder fiel 1943 vor Leningrad. Dort will er heute nicht ausstellen. Aber nicht wegen des Bruders, sondern weil er es albern findet, dass die Stadt wieder St. Petersburg heißt.
Hrdlicka liebt die Provokation: mit starken Sprüchen genauso wie mit seinem Oeuvre. Sein Mahnmal gegen Krieg und Faschismus auf dem Wiener Albertinaplatz war nicht nur wegen des bodenschrubbenden Juden umstritten. Noch heute wird Hrdlicka, dessen tschechischer Name „Turteltaube“ seinen Charakter so überhaupt nicht trifft, in Deutschland mehr geschätzt als in Österreich. Obwohl die Menschen zwischen Passau und Kiel bei der Aussprache des Zungenbrechers meist scheitern.
Hrdlicka, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, hält sich zugute, bei der Gründung der deutschen Linkspartei Pate gestanden zu sein. Er habe Oskar Lafontaine und Gregor Gysi bedrängt, etwas zusammen zu machen, bestätigte Lafontaine in seiner Eröffnungsrede zu einer Ausstellung, die noch bis 1. März in der Galerie Berlin zu sehen ist.
Aus der KPÖ ist der Bildhauer und Maler nach der blutigen Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 ausgetreten. Von der Linken hat er sich aber nie verabschiedet. 1999 ließ er sich sogar aus Solidarität von der politisch marginalen KPÖ für die Nationalratswahlen aufstellen. Die Anrede „der letzte Stalinist“ findet er nicht ehrenrührig.
Auch persönlich gilt der manische Arbeiter als schwierig. Er wirkt immer grantig oder aufgebracht und gerät beim Interview durch ständiges Nuckeln an der Wodka-Flasche schon mal so ins Lallen, dass seine Muse und Ehefrau Angelina, die ihn fast immer begleitet, einspringen muss. RALF LEONHARD