Europa hat Agrarfabriken weiter lieb

Neuer Kommissionsentwurf sieht geringere Kürzungen bei Subventionen für landwirtschaftliche Großbetriebe vor

BRÜSSEL taz ■ Der gelernte Landwirt Lutz Goepel, der sich selbst gern als „Oberbauer“ tituliert, ist sauer: „Das Satellitennavigationsprojekt Galileo wird mit 1,2 Milliarden Euro aus eingesparten Agrarmitteln gefördert“, empörte er sich am Mittwoch in Brüssel. Ein Umbau des Brüsseler Fördersystems würde vor allem seine Klientel treffen – ostdeutsche Großbetriebe.

Im Herbst hatte die EU-Kommission angeregt, die Subventionen für Großbetriebe drastisch zu kürzen. Goepel verlangt nun, dass die Lohnkosten gegen die Subventionskürzungen aufgerechnet werden. Goepels Modellrechnung funktioniert so: Ein Betrieb von etwa 3.000 Hektar Fläche, „was in den fünf neuen Ländern nicht unüblich ist“, erhält jährlich eine Million Euro aus dem Brüsseler Agrartopf. Die Kommission hatte vorgeschlagen, Zahlungen über 100.000 Euro um 10 Prozent zu kürzen, ab 200.000 Euro um 25 Prozent und ab 300.000 Euro um 45 Prozent. Nach diesem Deckelungsmodell würde Goepels Beispielunternehmen von 2012 an 350.000 Euro weniger aus Brüssel erhalten.

Da aber die Lohnkosten mit 25.000 Euro jährlich pro Arbeitskraft zu Buche schlagen, müsste der Betrieb mindestens 14 Mitarbeiter beschäftigen, um 350.000 Euro an Löhnen zu zahlen und so die Subventionskürzung abzuwenden. Kommenden Mittwoch wird das Parlament dem Goepel-Vorschlag voraussichtlich zustimmen. Politische Konsequenzen hat das allerdings nicht, denn das EU-Parlament hat in der Agrarpolitik bislang kein Mitspracherecht. Die EU-Kommission hat bereits signalisiert, dass sie die Idee nicht aufgreifen will. „Zu bürokratisch, zu betrugsanfällig“, lautet ein lapidarer Kommentar aus dem Haus der zuständigen Kommissarin Fischer Boel.

Stattdessen kursiert inzwischen in Brüssel ein neuer Kommissionsvorschlag, der Großbetriebe deutlich weniger belasten würde. Der Vorschlag vom Herbst hatte wohl nur die Funktion, die Stimmung in den Mitgliedsländern zu testen. Nach heftigen Protesten der deutschen Bauernlobby und der Bundesregierung änderte Brüssel folgsam seine Pläne. Schließlich will Kommissionspräsident Barroso im Sommer 2009 wiedergewählt werden und braucht dafür die Unterstützung von Angela Merkel.

Nach dem neuen Entwurf, der der taz vorliegt und wohl bis zur geplanten Veröffentlichung im Mai nur noch wenig verändert wird, können sich Agrarfabriken auch weiter auf viel Geld aus Brüssel freuen. Die Fördermittel oberhalb der Schwelle von 300.000 Euro werden ab kommendem Jahr um 11 Prozent gekürzt, in den Folgejahren jeweils um 2 Prozent mehr, bis 2012 eine Kürzung um 17 Prozent erreicht ist. Fördersummen bis 5.000 Euro jährlich sind nicht von Kürzungen betroffen, dazwischen gibt es mehrere Kürzungsstufen. Für den Beispielbetrieb mit einer derzeitigen Förderung von einer Million Euro pro Jahr würde das bedeuten, dass er 2012 nur 152.000 Euro weniger aus Brüssel überwiesen bekommt. Das Geld bleibt – anders als ursprünglich geplant – im Mitgliedsland und kann dort für ländliche Förderung eingesetzt werden.

Dennoch werden die Länder mit großen landwirtschaftlichen Betrieben (neben Deutschland sind das vor allem Großbritannien, Dänemark, Ungarn Polen und Tschechien) ihr Veto einlegen. Zwar sind sich im Grundsatz alle einig, dass Europa keine Agrargesellschaft mehr ist und mit dem Geld aus Brüssel lieber neue Technologien, umweltfreundliche Energie und Bildung fördern sollte. Doch die Verlierer dieses gesellschaftlichen Umbaus wollen sich damit natürlich nicht abfinden. Die Demo-Traktoren werden also bald wieder Richtung Straßburg und Brüssel rollen. DANIELA WEINGÄRTNER