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Archiv-Artikel

In der Ostsee droht Robbensterben

Die Ostsee-Ringelrobben haben mit den Vorboten des Klimawandels zu kämpfen: Weil das Meer immer weniger mit Eis bedeckt ist, rechnet der WWF in diesen Wochen mit Hunderten verhungerter und erfrorener Robbenbabys

Die Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) rechnet damit, dass in den nächsten Wochen Hunderte junger Ringelrobben im Ostseeraum verenden werden. Die Ostsee-Ringelrobben, die ihren Nachwuchs im Februar und März bekommen, sind bei der Aufzucht auf Packeis angewiesen. In diesem Jahr schmelze die Eisschicht allerdings so schnell, dass die rund 1.500 Jungtiere das schützende Packeis verlassen müssten, ehe sie eine ausreichende Fettschicht angesetzt hätten. Im kalten Wasser seien viele der Tiere dann nicht überlebensfähig.

Auch das Ausweichen auf kleine Inseln oder das Festland ist demnach keine Alternative: Hier bedrohen Fressfeinde wie Fuchs und Adler das Leben der Robbenbabys. Experten des WWF-Ostseebüros Stralsund befürchten, dass keines der in den vergangenen Wochen geborenen Jungtiere überleben wird. Besonders dramatisch ist die Situation an den nicht deutschen Küsten: vor der Südwestküste Finnlands, im Golf von Finnland und im Golf von Riga.

„Das Robbensterben ist ein düsterer Vorbote des Klimawandels, der die Ostsee besonders hart treffen wird“, sagt Cathrin Münster vom WWF. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie meldet, dass die Eisbedeckung im Finnischen Meerbusen Anfang März einer Ausdehnung entsprochen habe, die sonst schon im Dezember erreicht sei. Manche Experten sprechen von einem der eisärmsten Winter seit fast 300 Jahren. Auch der kürzlich erschienene Ostsee-Klimareport Assessment of Climate Change for the Baltic Sea Basin (BACC) vermeldet, dass die Lufttemperatur im Ostseeraum im vergangenen Jahrhundert um etwa 0,85 Grad Celsius angestiegen sei. Die globale mittlere Temperaturerhöhung lag bei 0,75 Grad Celsius.

Bis zum Jahr 2100 wird mit einer Lufterwärmung von bis zu fünf Grad gerechnet, die Wassertemperatur soll im Oberflächenbereich um zwei bis vier Grad Celsius steigen. Bei einem ungebremsten Klimawandel könnte die Eisbedeckung der Ostsee somit bis Ende des Jahrhunderts um 50 bis 80 Prozent abnehmen. „Wenn der globale CO2-Ausstoß nicht drastisch sinkt“, so Münster, „droht die Ostsee-Ringelrobbe auszusterben.“

Vom Aussterben bedroht sind die Ostsee-Ringelrobben schon jetzt. Sie stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion. Durch den Klimawandel dürfte sich der Bestand, der auf höchstens 10.000 Tiere geschätzt wird, weiter dezimieren. ANNA-LENA WOLF