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Archiv-Artikel

Der hochmoralische Kunde Nr. 9

Der New Yorker Gouverneur Eliot Spitzer ist auf einmal ziemlich bekannt. Als „Kunde Nr. 9“ wird er nun in die Geschichte eingehen. Sicher nicht in die Historie großer Staatsmänner, die der Harvard-Absolvent und ehemalige Staatsanwalt für sich als angemessen ansah. Der Name Spitzer wird nun eher in der Kategorie zu finden sein, in der ambitionierte Senkrechtstarter landen, die irgendwann meinen, die Gesetze der Schwerkraft würden für sie nicht mehr gelten. Eliot Spitzer, 48, wird seine steile politische Karriere vorerst beenden müssen, denn das Finanzamt hat ihn bei einer Betrugsfahndung zufällig als Kunden eines illegalen Edelprostituiertenringes in Washington identifiziert. Als das am Montag publik wurde, kam das Hochgeschwindigkeitskarussell der US-amerikanischen Politik mit kreischenden Bremsen zum Stillstand. Spitzer?, fragte man ungläubig.

Kunde Nr. 9 ist einer, der schon sein früheres Amt als Staatsanwalt mit einer moralischen Verve verband, die die einen grandios, die anderen unerträglich fanden. Auf der Wall Street jagte er Verfehlungen nach und sah an jeder Ecke „Betrug an der Öffentlichkeit“. Nachdem der Demokrat 2006 mit großer Mehrheit zum New Yorker Gouverneur gewählt worden war, gab er sich sehr selbstbewusst und bei jeder Gelegenheit als Saubermann aus. Mit dem Anspruch, alles wegzuätzen, was sich da so angesammelt hatte, stürmte Spitzer durch die Gänge seines Dienstsitzes in Albany im Bundesstaat New York. Nichts machte der Politiker halbherzig. Einem New Yorker Abgeordneten stellte er sich in den ersten Tagen seines Gouverneursamtes mit den Worten vor: „Schau mal, ich bin eine Dampfwalze.“

Das war nicht zu viel versprochen, denn seitdem hat sich der Gouverneur eine beachtliche Menge an Feinden gemacht. Politischen Gegnern drohte er den Kampf bis aufs Messer an – und lieferte ihn auch.

Wenn einer, den das Feuilleton als „unermüdlichen Kreuzritter“ bezeichnet hat, über die eigenen Stricke fällt, freut das viele – allen voran die Opposition. „Ein Gouverneur, der die Ethik zurück nach New York bringen wollte und nun in so was verstrickt ist, muss gehen“, forderte umgehend der republikanische Minderheitenführer des New Yorker Abgeordnetenhauses. Die Demokraten blieben stumm und starrten auf das seltsame Bild, das Spitzer am Montag bot: „Ich habe nicht entsprechend der Erwartungen gehandelt, die ich an mich selbst gestellt habe, ich muss mich nun darum bemühen, das Vertrauen meiner Familie zurückzugewinnen“, sagte er. Hinter ihm stand seine Frau Silda, schweigend, mit ausdruckslosem Gesicht.

ADRIENNE WOLTERSDORF