„Ersatzlose Schließung“

Mit einer Klage wollen die Anliegergemeinden den Bombenabwurfplatz im niedersächsischen Nordhorn stilllegen lassen. Der Forderung, die Bundeswehr solle nach Ersatzstandorten suchen, verweigert sich der örtliche Arbeitskreis Frieden: Er bezweifelt den Bedarf grundsätzlich

MARIANNE SCHNELLE, 57, ist hauptberuflich Realschullehrerin. Seit 1981 engagiert sie sich im Arbeitskreis Frieden Nordhorn.

INTERVIEW FRIEDERIKE GRÄFF

taz: Frau Schnelle, die letzte Klage gegen den Bombenabwurfplatz „Nordhorn-Range“ war erfolglos. Warum glauben Sie, dass sich die Anliegerkommunen diesmal durchsetzen werden?

Marianne Schnelle: Man muss nach Wittstock sehen, wo sich die Bürger schon seit Jahren erfolgreich dagegen wehren, dass der Übungsbetrieb im „Bombodrom“ wieder in Gang gesetzt wird. Vergangenes Jahr gab es dazu ein Urteil in Potsdam, wo den Protestlern wieder Recht gegeben wurde. Was für Wittstock gilt, gilt auch für Nordhorn: Die Menschen hier werden genauso durch den Fluglärm belastet.

Das Verhältnis zu Wittstock ist ja durchaus ambivalent: Es hat Stimmen in Nordhorn gegeben, die erklärten, dass sich das Problem mit einer Verlagerung der Flüge von Nordhorn nach Wittstock lösen ließe.

Wir vom Arbeitskreis Frieden Nordhorn haben immer eine ersatzlose Schließung von Nordhorn-Range und keine Verlagerung nach Wittstock oder anderswohin gefordert. Und wir haben immer kritisiert, dass von Nordhorner Politikern die Inbetriebnahme des Bombodroms gefordert wurde mit der Begründung, dass es eine gerechte Lastenverteilung geben müsse. Wir arbeiten eng mit den Bürgerinitiativen in Wittstock zusammen, die sich seit 15 Jahren in sehr phantasievollen Aktionen gegen die Inbetriebnahme des Bombodroms wehren – ohne eine Abwälzung auf Nordhorn zu fordern.

Sind Sie damit in der Mehrheit innerhalb der Nordhorner Protestbewegung? Die reicht ja von der Bürgerinitiative über die Kirche bis in die Landespolitik.

Bei den Nicht-Politikern bestimmt. Wobei es immer wieder Auseinandersetzungen gegeben hat. Je nachdem, wer zum Beispiel im Vorstand einer Bürgerinitiative war, verliefen die Positionen sehr unterschiedlich.

Das Verteidigungsministerium wird Ihnen entgegenhalten, dass die Bundeswehr ihren Auftrag ohne Übungsmöglichkeiten nicht erfüllen könne.

Laut Grundgesetz hat die Bundeswehr einen Verteidigungsauftrag. Die Bundesrepublik ist zurzeit nicht bedroht, zugleich werden in den vergangenen Jahren leider immer mehr Soldaten zu Auslandseinsätzen herangezogen – das ist eine Sache, die wir grundsätzlich ablehnen. Deswegen können wir den Teil der Klage auch nicht unterstützen, mit dem die Bundeswehr zu einer aktiven Suche nach einem Alternativstandort gezwungen werden soll.

Nordhorn-Range, heute Übungsplatz der deutschen Luftwaffe, diente nach dem Zweiten Weltkrieg der Royal Air Force, die ihn 2001 an die Bundeswehr übergab. Erste Proteste gegen die militärische Nutzung regten sich in den 50er Jahren. 1971 besetzten Demonstranten den Platz, es gründeten sich mehrere Bürgerinitiativen. Kirchen, Gewerkschaften und Anliegergemeinden schlossen sich dem Protest an. Auch der niedersächsische Landtag forderte die Schließung. Eine entsprechende Klage scheiterte allerdings. In der vergangenen Woche haben Anliegerkommunen erneut Klage beim Verwaltungsgericht Osnabrück eingereicht. Diese ficht die Übertragung des Platzes von britischer auf deutsche Hoheit an, fordert eine aktive Suche nach alternativen Standorten und klagt vorbeugend gegen eine mögliche Erweiterung, für den Fall, dass das „Bombodrom“ in Wittstock endgültig nicht genutzt werden sollte.  GRÄ

Das Verteidigungsministerium hat Berufung gegen das Urteil eingelegt, um die Wiederaufnahme des Betriebs in Wittstock zu erzwingen. Geben Sie dem irgendeine Chance?

Natürlich wollen die Militärs den Übungsplatz haben. Dass sie auf alle Fälle weiterhin Druck machen, ist klar. Aber bislang haben die Gegner in über 20 Prozessen Recht bekommen und ich hoffe natürlich, dass sie sich auch in einer weiteren Instanz durchsetzen.

Die Proteste in Nordhorn laufen seit über 30 Jahren. Gelingt es Ihnen, die gesamte Region dafür zu mobilisieren?

Das ist schlaffer geworden. Ich glaube, dass das auch daran liegt, dass bei uns mit einer Abschiebung nach Wittstock argumentiert wurde. Es ist phantastisch, auf welche Resonanz die Proteste in Wittstock stoßen – der Ostermarsch dort war der größte in der Bundesrepublik mit über 5.000 Menschen. Bei uns stößt zwar durchaus die junge Generation dazu, aber es ist uns nicht gelungen, die Massen zu mobilisieren.