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Archiv-Artikel

„Hanse ist ein Qualitätsversprechen“

Die niedersächsische Hafenstadt Stade hat beim Innenministerium in Hannover den Antrag gestellt, Hansestadt zu werden. Lüneburg darf den Titel seit vergangenem Jahr benutzen. Warum wollen alle die Marke „Hanse“ haben?

ROLAND BÖS, 36, ist Deputy Managing Director der Scholz & Friends Dialog Group und lehrt als Gastdozent an der FHTW Berlin im Studienfach Innovationsmanagement.

taz: Herr Bös, weshalb ist die Marke „Hansestadt“ so beliebt?

Roland Bös: Der mittelalterliche Titel ist nach wie vor ein Marken-Klassiker im Stadtmarketing. Die Hanse war bereits im 12. Jahrhundert ein Qualitätsversprechen und ist es bis heute geblieben. Wo immer eine Stadt einst der Hanse angehört hat, scheint dies automatisch ihr Ansehen zu heben und es lässt sich gut damit werben. Plätze, Straßen und Bauten zeigen dies ebenfalls: Hansaplatz, Hansastraße, Hanseatenweg, Hansahof, Hanse-Viertel, Hansaport, um nur einige Beispiele zu nennen. Zahlreiche öffentliche und private Bauten und Firmen beschwören die Hansetradition und führen Bezeichnungen wie Hanse, Hansa, hanseatisch oder hansisch als Bestandteil ihrer Marke.

Sie sprechen das Qualitätsversprechen an. Was steht hinter der Marke Hansestadt?

Man kann grundsätzlich die Frage stellen, ob eine Stadt als Marke den gleichen Regularien unterworfen werden kann wie Zahnpasta oder Spülmittel. Letztlich geht es auch bei einem Städtenamen darum, positive Eigenschaften bei den Menschen abzurufen. Natürlich muss darauf geachtet werden, welche Zielgruppen angesprochen werden sollen. Bei einer Stadt können dies unterschiedliche Gruppen sein. Zum Beispiel ihre Bewohner, Touristen oder Investitionsentscheider. Geht es im Fall von Hamburg darum, ein Markenbild zu vermitteln, das für alle diese Gruppen relevant ist, könnte dies ein Gedanke wie „die Stadt am Wasser oder am Hafen“ sein. Im Hinblick auf die Konkurrenz zwischen den Metropolen in Deutschland ist es durchaus legitim, diese Positionierung durch ein Marketingkonzept konsequent zu vermitteln.

Hat es für Hamburg als Markennamen Nachteile, wenn sich immer mehr Städte „Hansestadt“ nennen?

Nein, denn historisch ist die Hanse geprägt von einem Miteinander. Warum sollten Gemeinden, die sich früher auf diese Weise vereint haben, nicht auch heute diesen Begriff gemeinschaftlich nutzen? Als der Diamant unter den Perlen der Hanse muss sich Hamburg keine Sorgen machen, dass der Titel hierdurch verwässert wird. Der Namenszusatz wird bereits jetzt von zahlreichen Städten im Norden verwendet. Vergleichbar ist diese Situation mit Städten innerhalb einer Region mit einem überdurchschnittlich guten Ruf wie beispielsweise dem Bundesland Baden-Württemberg. Hiervon profitieren letztlich alle Städte aus der Region, die per se bekannteren und profilierteren unter ihnen allerdings überproportional.

Würde eine Anerkennung als Hansestadt auch für Stade Vorteile bringen?

Das denke ich schon. Deswegen haben auch Städte wie Lübeck, Greifswald und Rostock das vorangetrieben. Durch die positiven Konnotationen, die mit dem Wort Hanse verbunden sind, wird die Aufmerksamkeit verstärkt auf Stade liegen. Spannend bleibt, ob eine Stadt den Titel nicht nur kommuniziert, sondern auch lebt. Eine Stadt mit einem breiten kulturellen und wirtschaftlichen Angebot wie Hamburg ist natürlich im Vorteil gegenüber kleineren Gemeinden.

Ist der Wert der Marke „Hanse“ Ihrer Meinung nach hoch?

Die Hanse ist eine Auszeichnung und zugleich ein Qualitätsanspruch und eine Verpflichtung für die Städte im Norden. Gerade im Stadtmarketing ist auch die glaubhafte und konkrete Umsetzung eines Versprechens wichtig. Hier sind Städte wie Hamburg mit einem breiten Angebot an Kultur, Sport oder Shopping sowie einer hohen wirtschaftlichen Potenz in der Pole Position. Wenn dieses Erfolgsmodell nun in die Peripherie exportiert wird, stärkt dies letztlich die Positionierung von einer Metropole wie Hamburg zusätzlich.

Hansestadt klingt sehr traditionsbewusst und vielleicht auch etwas verstaubt. Glauben Sie, dass man damit auch junge Leute ansprechen kann?

Die Hanse ist auch im 21. Jahrhundert allgegenwärtig und kann durchaus auch junge Leute ansprechen. Immerhin fahren in Hamburg mit dem Hanse-H jeden Tag tausende Autofahrer aller Altersgruppen stolz durchs Land. Historisch wissen die Älteren im Einzelfall mehr über die Hanse, bei den Jüngeren löst das Thema im besten Fall Neugierde aus. Klassische Hansethemen wie Weltoffenheit oder Urbanität können aus unserer Sicht als sehr relevant für junge Menschen interpretiert werden. Es gibt also eine Chance, dass man in Stade nicht nur ein Marketingkonzept für alte Leute auf die Beine stellt.

Wie schätzen Sie die Chancen für Stade ein, tatsächlich Hansestadt zu werden?

Die Stader haben während der Namens-Bewerbung in den letzten Jahren den Gang durch die Instanzen selbstbewusst vorangetrieben und mit ihrer Hartnäckigkeit bereits eine wichtige Hanse-Eigenschaft bewiesen. Das ist schon einmal eine gute Grundlage für den nächsten Schritt… INTERVIEW: ANJA GRÜNENFELDER