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Archiv-Artikel

Proteststurm gegen Hamburgs Linke

Die Vize-Vorsitzende der Hamburger Links-Fraktion, Christiane Schneider, löst mit ihrer Rede zur Tibet-Frage einen Eklat in der Bürgerschaft aus. Der indirekte Vergleich zwischen Chomeini und dem Dalai Lama war „ein blöder Fehler“, sagt sie mittlerweile

AUSZÜGE AUS DER SCHNEIDER-REDE

„Die Modernisierung Chinas hat … gewaltige Fortschritte gemacht. … Zweifellos ist sie an dem Punkt angekommen, an dem … politische Rechte für die Opposition nicht nur zur Debatte stehen, sondern unabweisbar aktuell und einzulösen sind. … Auf der anderen Seite muss sich auch … das tibetische Mönchstum, das die Oppositionsbewegung offensichtlich anführt … der Frage stellen, welchen Kurs es bei der Modernisierung … und nicht zuletzt der Verwirklichung der Menschenrechte steuert. Die Weltgesellschaft hat … keine guten Erfahrungen mit Religionsführern gemacht, die sich als Repräsentanten gesellschaftlicher Opposition in die Politik mengten. Ich erinnere zum Beispiel an Chomeini. … Ein Staat, der auf religiöser Offenbarung aufgebaut ist, versperrt sich demokratischen Verfahren der Willensbildung. … Die Voraussetzungslosigkeit, mit der die GAL Solidarität mit Tibet fordert, teile ich deshalb nicht. In wirklich jeder Beziehung gilt, dass die Menschenrechte unteilbar sind“. MAC

VON MARCO CARINI

Katerstimmung nach der Jungfernrede. „Jede Menge Hassmails“ habe sie bekommen, so berichtet die stellvertretende Vorsitzende der Hamburger Linkspartei-Fraktion, Christiane Schneider am Tag nach ihrem ersten Bürgerschaftsauftritt. Ihr sei zwar klar gewesen, „dass ich eine stark abweichende Meinung zum Mainstream habe“, doch mit so einer Reaktion habe sie beileibe nicht gerechnet.

Am Mittwochabend war Schneiders Auftritt im Hamburger Parlament, der nachdenklich und differenziert hätte ausfallen sollen, zum Eklat geraten. Beim Thema China und Tibet hatte die 59-Jährige, die auch parlamentarische Geschäftsführerin der Linken ist, indirekt den iranischen Revolutionsführer Chomeini mit dem Friedensnobelpreisträger Dalai Lama verglichen.

Die Ausführungen lösten im Hamburger Parlament einen parteiübergreifenden Proteststurm aus. „Wir haben jetzt auch eine Frau Wegener im Parlament“, befand ein CDU-Abgeordneter mit Blick auf die ehemalige niedersächsische Abgeordnete der Linkspartei, die mit ihren Ausführungen zur Stasi vor wenigen Wochen einen Skandal ausgelöst hatte. CDU-Fraktionschef Frank Schira warf Schneider vor, in „kommunistischer Kadersprache“ eine „kalte Rede“ gehalten zu haben.

Wörtlich hatte Schneider erklärt, „die Weltgesellschaft“ habe „keine guten Erfahrungen mit Religionsführern gemacht, die sich als Repräsentanten gesellschaftlicher Opposition“ verstünden. „Ich erinnere zum Beispiel an Chomeini“, sagte Schneider weiter. Zudem bezeichnete Schneider die chinesische Entwicklung als „Modernisierungspolitik“, die, „wenn auch immer noch in deutlichen Grenzen, den Kurs der Öffnung verstärkt“ habe. Auch die „tibetischen Religionsführer“ müssten sich die Frage gefallen lassen, „welchen Kurs sie bei der Modernisierung, der Beseitigung von Armut und nicht zuletzt der Verwirklichung der Menschenrechte steuern.“

Der Grünen-Fraktionsvize Christian Maaß konterte unter dem Applaus von CDU, SPD und Grünen, die Rede Schneiders verschlage ihm „fast die Sprache“. Der Vergleich sei unsäglich, zudem erstaune es ihn, dass die Abgeordnete der Linken, den chinesischen Turbokapitalismus mit seinen sozialen Folgen unkritisch als Modernisierung bezeichne. Mit ihrer Rede habe Christiane Schneider zudem „Opfer zu Tätern“ gemacht.

SPD-Fraktionschef Michael Neumann, der am Ende der inkriminierten Rede demonstrativ den Saal verließ, betonte, Schneiders Ausführungen seien „empörend“ gewesen und stützen „die Einschätzung, dass ihre Partei auf absehbare Zeit weder politik- noch regierungsfähig sei“.

Auch innerhalb der Links-Fraktion löste die Rede Schneiders offiziell zwar Solidarität mit der Gescholtenen, hinter den Kulissen aber vor allem Kopfschütteln aus. Während Fraktionskollege Joachim Bischoff die Ausführungen als „unglücklich“ einstufte, sprachen andere Mitglieder hinter vorgehaltener Hand davon, Schneider habe sich „kräftig vergaloppiert.“ Parteisprecher Martin Wittmaack betont: „Chomeini und der Dalai Lama lassen sich überhaupt nicht miteinander vergleichen.“

Auch Schneider selbst sagt, es habe „ihr fern gelegen, einen direkten Vergleich zwischen Chomeini und dem Dalai Lama herzustellen.“ Den Namen Chomeini, der in ihrem Redemanuskript gar nicht vorgekommen sei, habe sie „im Eifer des Gefechts“ spontan in die Debatte geworfen. „Ein blöder Fehler“, sagt Schneider heute.

Die Politikerin erklärt, sie habe nur darauf hinweisen wollen, dass der Dalai Lama „als politisches und religiöses Oberhaupt der Tibeter eine vordemokratische Figur“ und es zudem „problematisch“ sei, wenn „Politik und Religion sich vermischten.“ Zudem dürfe nicht verschwiegen werden, dass es „im Rahmen der von der chinesischen Regierung ausgelösten Gewalt auch Pogrome seitens der tibetanischen Mönche gegeben“ habe, bei denen „chinesische Bürger in Tibet umgekommen“ seien.