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Archiv-Artikel

Schluss mit Weizen

Um die Versorgung im Land zu gewährleisten, stoppt die argentinische Regierung die Ausfuhren von Getreide

AUS FÜR HILFE

Dem UN-Welternährungsprogramm (WFP) fehlt noch mehr Geld als bisher angenommen: Statt 500 Millionen seien 756 Millionen Dollar nötig, um ausreichend Nahrungsmittel für Hungernde kaufen zu können, hieß es am Freitag. Wegen der Getreidepreissteigerungen müsse man im Mai bereits die Hilfe für tausende Schüler, die bislang Essen erhalten, einstellen. Indes kündigte Präsident Nicolas Sarkozy an, Frankreich werde ab diesem Jahr seine Nahrungsmittelhilfe auf 60 Millionen Euro verdoppeln. (dpa, afp)

BUENOS AIRES taz ■ Argentinien steht am Pranger. Das Land, das mit einer Bevölkerung von 40 Millionen Menschen Nahrungsmittel für 300 Millionen produziert, hat seine Weizenexporte vorübergehend eingefroren. Das trage zur Panik bei den Erhöhungen der Lebensmittelpreise bei und unterstütze die Spekulation, erklärte José Graziano da Silva. Er ist Vorsitzender der 30. Regionalkonferenz der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in Lateinamerika und der Karibik, die am Freitag in Brasilia zu Ende ging.

Eigentlich darf es laut da Silva nicht einen hungernden Menschen in Lateinamerika geben, es würden 40 Prozent mehr Nahrungsmittel produziert als benötigt – und doch sind 50 Millionen unterernährt. Der Hauptgrund dafür sei die schlechte Einkommensverteilung.

Die argentinische Regierung versucht nun, nicht nur die Versorgung mit Weizen im Land durch einen Exportstopp zu gewährleisten, sondern auch die Preise für die wichtigsten Grundnahrungsmittel niedrig zu halten. Dafür will sie die Exportsteuer auf Agrarprodukte anheben, vor allem jene auf Soja. Denn die Anbaufläche für Soja ist von 6,7 Millionen Hektar im Jahr 1996 auf die neue Rekordhöhe von 16,9 Millionen Hektar gestiegen – das ist knapp die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. 95 Prozent der Ernte wird exportiert. Landwirte und Staat verdienen gut daran.

Als Néstor Kirchner 2003 die Regierung übernahm, lag der Weltmarktpreis für die Tonne Sojabohnen bei 225 Dollar. Ein Jahr später war er auf 360 Dollar gestiegen, und Anfang dieses Jahres hätte sich seine Nachfolgerin im Amt Cristina Kirchner eigentlich über einen Preis von über 500 Dollar und steigende Einnahmen für den Staatshaushalt freuen können. Doch die Präsidentin sagt: „Die hohe Rendite bei Soja ist ein Problem, sie verdrängt die anderen Produkte.“ Landwirte sollten wieder mehr Weizen und Mais anbauen.

Mit den Einnahmen einer höheren Exportsteuer sowie einem komplexen System aus Vereinbarungen und Subventionen mit Handelsketten und weiterverarbeitender Industrie will die Regierung Nahrungsmittel derweil erschwinglich halten. Andernfalls läge der Brotpreis um 25 Prozent höher, sagt Wirtschaftsminister Martin Lousteau.

Die Landwirte reagierten auf die Pläne im März mit Protesten und Straßenblockaden. Mittlerweile verhandeln Regierungsvertreter und Agrarverbände wieder miteinander – doch eine Einigung ist nicht in Sicht.

Auch Argentiniens oberste Verbraucherschützerin äußerte sich kritisch: „Dieses System aus Vereinbarungen und Subventionen für die großen Firmen funktioniert nicht“, sagt Susana Andrada vom Centro de Educación al Consumidor. „Es verursacht hohe Staatsausgaben, doch die Konsumenten merken nichts davon.“ Denn in den Läden stiegen die Preise. Doch die Regierung hält an ihrem Plan fest. Auf die Kritik der FAO hat sie bisher nicht reagiert. Und wann sie wieder Exportgenehmigungen für Weizen ausstellt, hat sie bisher nicht mitgeteilt. JÜRGEN VOGT