Cuxhaven will Pleite gehen

Oberbürgermeister Arno Stabbert (CDU) möchte seine Stadt in die Insolvenz führen und fordert entsprechende Regelungen von der Landesregierung. Der niedersächsische Städtetag und die SPD-Opposition im Rathaus finden das wenig hilfreich

VON DANIEL KUMMETZ

Bankrott, pleite, überschuldet: Diese Begriffe tauchen in der Berichterstattung über die Lage der öffentlichen Haushalte immer wieder auf – und sind im Grund genommen falsch, weil sie aus der Privatwirtschaft stammen. Bund, Länder und Kommunen können nicht zahlungsunfähig werden. Das will der Cuxhavener Oberbürgermeister Arno Stabbert (CDU) ändern: Er schlägt der niedersächsischen Landesregierung vor, ein Insolvenzgesetz für Städte und Gemeinden zu erlassen.

Diese Forderung ist nicht neu: Im vergangenen Jahr hat der Schweriner Insolvenzverwalter Stefan Niederste Frielinghaus ein Buch dazu veröffentlicht. Er schlägt vor, es Kommunen wie Unternehmen zu ermöglichen, in die Insolvenz zu gehen. „Das schafft Anreize, sich weniger zu verschulden“, sagt Frielinghaus. „Die Zinsen würden steigen und manche Stadt würde keine Kredite mehr bekommen.“

Er hofft, dass ein Insolvenzrecht zu mehr Transparenz bei den Gemeinde-Haushalten führen würde. Zum Beispiel werde dann sichtbar, ob das Land die von ihm an die Kommune übertragenen Aufgaben vollständig bezahle. Frielinghaus glaubt sogar, dass die Kommunen jetzt schon das Insolvenzrecht anwenden dürfen. Das ergebe sich aus ihrem Selbstbestimmungsrecht nach dem Grundgesetz. „Das ist aber unter Juristen sehr umstritten“, gibt er zu.

Cuxhavens Bürgermeister Stabbert hat die Idee aus einem Gutachten, das seine Stadt in Auftrag gegeben hat. Die Juristen Kyrill-A. Schwarz und Thomas Mann, beide Professoren in Göttingen, sollten herausfinden wie die Stadt Cuxhaven aus den Schulden kommen kann. Am Ende dieses Jahres wird die Stadt mit mehr als 240 Millionen Euro in der Kreide stehen.

Das Zwischenergebnis der Gutachter: Die Stadt habe so wenig Geld, dass sie ihre Aufgaben kaum erfüllen könne, ohne sich weiter zu verschulden. Daher sei ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg denkbar, in dem die zu schlechte finanzielle Ausstattung der Stadt festgestellt und so mehr Geld vom Land erzwungen werden könnte.

Auch eine „extreme Haushaltsnotlage“ könnte geltend gemacht werden, um vom Land zusätzliches Geld zu erhalten. Daneben schlagen die Juristen als „rechtspolitische Option“ die Einführung eines kommunalen Insolvenzrechts oder Haushaltsnotlagengesetzes vor.

Die Umsetzung dieser Vorschläge, die mit Klagen gegen das Land verbunden sind, gilt als unwahrscheinlich. Ein CDU-Bürgermeister wird wohl kaum eine schwarz-gelbe Landesregierung verklagen.

Ulrich Mädge (SPD), Präsident des niedersächsischen Städtetags und Bürgermeister von Lüneburg findet die Idee unnötig und nicht praktikabel. „Wir sind jetzt schon verpflichtet, den Haushalt auszugleichen“, sagt er. Schon heute müsse das Land die Kommunen vernünftig mit Geld ausstatten.

In Cuxhaven sind die oppositionelle SPD-Ratsfraktion und auch die Pressestelle der Stadtverwaltung von dieser Äußerung überrascht worden. „Diesen Vorschlag habe ich als Nebenaspekt in dem Gutachten verstanden“, sagt Gunnar Wegner von der SPD-Fraktion im Rathaus. „Ich verstehe nicht, warum er das ernsthaft ins Gespräch bringt.“ So etwas verunsichere Investoren.

Der Bürgermeister und der Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion waren gestern nicht zu erreichen. So blieb auch dem SPD-Fraktionschef nur übrig, zu spekulieren: „Vielleicht will er so bei den Ausgaben für Soziales und Kulturelles sparen, das bekommt er anders nicht durch.“