: Jukebox
Das Lied der Deutschen (die internationale Wertung)
Der Schlager ist volksnah. Viele wollen ihn hören, und immer sind die großen Hallen für ihn reserviert.
Eine kleine Liste mit deutschen Schlagerstars: Wencke Myhre (geboren in Oslo). Sie singt am Montag im Friedrichstadtpalast. Howard Carpendale (geboren in Durban). Er singt Dienstag und Mittwoch in der Max-Schmeling-Halle. Karel Gott (geboren in Pilsen). Costa Cordalis (geboren in Ellatia). Ireen Sheer (geboren in Romford). Sie singen neben anderen bereits am Sonntag im Velodrom bei der Schlager-Starparade.
Man kann die Geschichte von Deutschland als Einwanderungsland auch über den deutschen Schlager erzählen, samt den Sehnsüchten und Sorgen der Menschen in diesem Land. Ihre Lust nach Sonne und Exotik: Knapp nach dem Krieg klangen die Lieder mächtig nach Italien oder gleich nach weiter weg, nach Südsee, so dass es manchen schon wieder zu viel wurde mit den Palmen und Paulchen Kuhn murren musste, dass es doch kein Bier auf Hawaii gäbe. Die meisten aber mussten sowieso erst noch mal hierbleiben mit ihrer Freude an den Fremden, und die sollten ihnen ruhig auch verzeihen, ihre Geschichte. Am besten, ohne die überhaupt anzusprechen. Als moralisches Entschuldungsprogramm hörte man die Sängerinnen und Sänger aus Israel: Esther & Abi Ofarim oder Daliah Lavi. Und in Hecks Hitparade standen mindestens immer ein, meist aber mehrere Sänger mit Migrationshintergrund in der Sendung. Die Lieder selbst waren ja Migranten. Viele deutsche Schlager kamen in der amerikanischen (oder einer anderen) Hitparade zur Welt und wurden nur mit einem deutschen Text neu eingekleidet. Oder anders herum: Schön etwa „Zwei kleine Italiener“ von Conny mit seiner Gastarbeiterthematik, das ich auch in einer spanischen Version kenne, also aus einem Land, das in der Zeit noch eine Menge Menschen hierher zum Arbeiten schickte.
Und noch ein Beispiel. Der Trumpf: Die Les Humphries Singers waren ein multikulturell besetzter Hippie-Chor, der sogar in Englisch singen durfte und trotzdem in Deutschland seine Erfolge feierte. Auch in der volkseigenen Republik drüben sah die Schlagergeschichte zwar anders, in der Sache jedoch nicht grundsätzlich verschieden aus. Während sich die deutsche Rockgeschichte in ihrer Besetzungsliste ziemlich treudeutsch liest.
Nur der Schlager will halt die heile Welt und hält sie sich schon lange in bester multikultureller Ordnung. THOMAS MAUCH