Wirtschaftslobby benutzt Bürgerinitiativen

Die Straßenbauwirtschaft unterstützt Bürger im Kampf für den Umweltschutz – und profitiert mit Aufträgen

BERLIN taz ■ Beim Bau von Umgehungsstraßen bekommen engagierte Bürger zuweilen direkte Unterstützung von der Straßenbauwirtschaft: Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung (GSV) nennt sich ihr Lobbyverein, der mit dem Siegel der Gemeinnützigkeit Bürgerinitiativen für den Bau neuer Straßen organisiert.

Beweise dafür, dass die GSV selbst die Gründung von „Bürgerinitiativen“ vorantreibt, gibt es keine –aber umso mehr Indizien. Will ein Bürgermeister eine Umgehungsstraße für seinen Ort, kann er an die GSV herantreten oder wird von den jeweiligen Landesbeauftragten angesprochen. Werden sie Mitglied bei der GSV, können Bürgermeister mit der Unterstützung des Vereins rechnen, wenn sie für eine Bürgerinitiative werben. Auf Gründungsveranstaltungen tauchen dann immer wieder hochrangige GSV-Vertreter auf. Motiviert durch die professionelle Rhetorik der GSV-Vertreter, finden sich fast überall engagierte Bürger, die von da an die Arbeit vor Ort übernehmen. Die Unterstützung durch die GSV geht auch nach der Gründung weiter: Sie stellt Plakate bereit, übernimmt teilweise die Kosten und hilft, Druck auf die wichtigen Stellen auszuüben.

„Es ist wirklich schwer, nachzuweisen, wo die Herren und Damen überall ihre Finger im Spiel haben“, sagt Lutz Dressler vom Verkehrsclub Deutschland. Eine wichtige Quelle dafür sei die GSV-Zeitschrift Verkehr + Umwelt, die vierteljährlich auch an zahlreiche Bundestagsabgeordnete geschickt werde. Darin würden Artikel zu Straßenbauprojekten in ganz Deutschland veröffentlicht, meist werde eine schnelle Umsetzung gefordert und über Erfolge der „Bürgerinitiativen“ berichtet. GSV-Vorsitzender Rolf Crone gibt zu, dass der Verein in erster Linie Bürgerinitiativen unterstützt, die sich für den Straßenbau einsetzen. „Wir geben Ratschläge, wie man Druck ausüben kann, und finanzieren ab und an ein Plakat“, so Crone gegenüber der taz. Daher sei man auf Spenden aus der Bauindustrie angewiesen, einen Interessenkonflikt sehe er aber nicht. „Wir sind ehrenamtlich tätig, alles wird vom Finanzamt überprüft“, erklärt Crone.

Ein aktuelles Beispiel für den Erfolg des Vereins ist die A44, eine rund 2 Milliarden teure Autobahn durch ein Naturschutzgebiet bei Hessisch Lichtenau. Anfang des Jahres gab das Bundesverwaltungsgericht grünes Licht für das Projekt. „Die GSV hat seit Gründung der Bürgerinitiative Pro A44 ihre Finger im Spiel“, erklärt Wolf von Bültzingslöwen vom BUND. Er kämpft seit Jahren gegen den Ausbau der A44. Die GSV arbeite eng mit Bürgermeistern der Region zusammen und kümmere sich akribisch um die Pressearbeit. Mit so professionellen Kampagnen „ist ein gemeiner Dorfbürgermeister hier doch maßlos überfordert“. PAUL WRUSCH