Blockflötchen pfeift auf die alten Zeiten

Am 1. Mai wird Marion Walsmann noch einmal die gesamte lokalpolitische Grausamkeit zu spüren bekommen. Der Erfurter Zoopark ruft auf zur „Wahl des schönsten Mischlingshundes“, und die CDU-Kreisvorsitzende darf, oder besser: muss den Sieger krönen.

In Gedanken wird Walsmann da längst etliche Stufen höher weilen, genauer gesagt in der Thüringer Staatsregierung. Denn die ambitionierte 45-Jährige gehört in Zukunft zum Team Althaus, jenem in die Schlagzeilen geratenen neuen Kabinett, mit der der thüringische Ministerpräsident jüngst überraschte. Walsmann, die auch Landtagsabgeordnete ist, übernimmt am 8. Mai das Justizressort von ihrem Kollegen Harald Schliemann.

Und neben dem Weimarer Peter Krause, dem künftigen Kultusminister und ehemaligen Redakteur der rechten Jungen Freiheit, gilt auch die Justizexpertin vielen schon jetzt als Fehlgriff. Der Grund: Sie saß zwischen 1986 und 1990 für die Blockpartei CDU in der DDR-Volkskammer, dem Abnickgremium der SED-Politik. Besonders irritierend ist, dass in diese Zeit auch eine Resolution fiel, in der die Volkskammer der chinesischen Führung für die brutale Zerschlagung der Studentenproteste 1989 applaudierte.

Eine „Blockflöte“ soll sich jetzt um die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Freistaats kümmern? Die Linke, mit fragwürdigem Personal bestens vertraut, fühlt sich verschaukelt – freut sich aber, endlich auch mal mit dem Finger auf andere zeigen zu können. „Die Berufung ist eine Katastrophe“, wettert Bodo Ramelow, Vizefraktionschef der Linken im Bundestag, und fordert Neuwahlen. „Es kann nicht sein, dass sich Walsmann mit ihrer Verharmlosungsstrategie so durchwurschteln kann.“ Zweite Chance ja, aber nur dann, wenn sie offen mit ihrer Vergangenheit umginge.

Ganz wohl ist der Mutter zweier Kinder bei dem Gedanken an ihre DDR-Vergangenheit offenbar auch nicht. Dem MDR gestand sie: „Das mag damals eine falsche Entscheidung gewesen sein.“ Sie habe aber sehr schnell verstanden, dass es naiv gewesen sei, in der Volkskammer demokratische Strukturen zu erwarten. Dieser Lebensabschnitt gehöre zu ihrer Biografie und sie wolle ihn keinesfalls leugnen.

Genau da hat nicht nur Linke-Mann Ramelow Zweifel, sondern auch etliche SPD-Politiker. Auf Walsmanns Internetseite jedenfalls ist von dem umstrittenen Volkskammeraufenthalt nichts zu lesen. Die dort aufgeführte Biografie trägt vielmehr alle Züge einer bilderbuchartigen Karriere: Jurastudium, Stadträtin, Landtagsabgeordnete, Justizausschussvorsitzende – und jetzt Ministerin. Aber vorher geht’s ja noch mal in den Zoo. VEIT MEDICK