: Kohle-Monopoly im Norden
Zwischen den Energieriesen ist ein Wettlauf um Kohlekraftwerks-Standorte entbrannt: Vattenfall will in Moorburg bauen, Electrabel und andere Stromkonzerne in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade
Elf neue Kohlekraftwerke sind in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein geplant: So will der Energieversorger Eon in Stade direkt neben dem 800-Megawatt (MW)-Kraftwerk von Electrabel ein weiteres Kraftwerk errichten, und der Stromkonzern ENBW plant gemeinsam mit der Dow Chemical in dem niedersächsischen Industriestandort die CO2-Schleuder Nummer drei. Nicht anders sieht es in Brunsbüttel aus: Hier planen Südweststrom/ Iberdrola, GETEC und eben Electrabel ebenfalls gleich drei neue Steinkohleanlagen mit einer Gesamtkapazität von 3.200 MW. Die Brunsbütteler Ratsversammlung hatte erst vorige Woche mit den Stimmen von CDU und SPD die Weichen für das Südweststromkraftwerk – das größte der drei Projekte – gestellt. In Wilhelmshaven sind Eon und Electrabel ebenfalls am Start – mit zwei etwas kleiner dimensionierten Projekten (jeweils 500 MW). Da auch in Moorburg, Kiel und im emsländischen Dörpen Kohlekraftwerke in der Pipeline sind, beläuft sich die Gesamtkapazität aller geplanten Kraftwerke auf fast 10.000 MW. Zum Vergleich: Das AKW Krümmel, der leistungsstärkste norddeutsche Atomreaktor, bringt es gerade mal auf 1.400 MW. MAC
VON MARCO CARINI
Der Wettlauf um das Geschäft mit der Kohlekraft ist voll entbrannt: Kaum hatte die CDU am Montag in Hamburg den schwarz-grünen Koalitionsvertrag abgenickt, der das von Vattenfall geplante Kohlekraftwerk in Moorburg in eine Genehmigungs-Warteschleife mit unbekannter Länge schickt, da machte in Berlin ein anderer Energiekonzern Nägel mit Köpfen.
„Wir werden in Brunsbüttel und in Stade jeweils ein Kohlekraftwerk bauen“, teilte der französisch-belgische Energieriese Electrabel am Dienstag mit. Die Genehmigungsverfahren, so das Unternehmen weiter, seien bereits in vollem Gange. Schon im vergangenen Jahr hatte der Konzern den Startschuss für eine dritte Anlage in Wilhelmshaven gegeben.
Alle drei Kraftwerke sollen 2012 ihren Betrieb aufnehmen. An ihren Standorten werden nach Auskunft von Electrabel insgesamt rund 300 Arbeitsplätze geschaffen. Zudem sollen während der Bauzeit bis zu 900 Arbeiter pro Kraftwerk beschäftigt werden.
Der beschlossene Langzeit-Atomausstieg führt in den norddeutschen Bundesländern zu einem Kraftwerks-Monopoly bislang nicht da gewesenen Ausmaßes, bei dem die Energiekonzerne versuchen, sich im Kampf um Standorte und Kraftwerkskapazitäten gegenseitig zu übertrumpfen. Gleich elf Großkraftwerke auf Steinkohlebasis sind im Norden konkret geplant (siehe Kasten).
Doch während die Umweltverbände „gewaltige Überkapazitäten“ und eine Erhöhung des CO2- und Feinstaub-Ausstoßes befürchten, der die Region zwischen Wilhelmshaven und Brunsbüttel zu einem „zweiten Ruhrgebiet“ verkommen lassen könnte, löste die Electrabel-Ankündigung in den betroffenen Gemeinden und bei der CDU Jubel aus.
Mit Blick auf die versprochenen Arbeitsplätze begrüßte es Brunsbüttels Bürgermeister Wilfried Hansen (parteilos) überschwänglich, dass Electrabel in Brunsbüttel bauen wolle. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) betonte, der Bau des Brunsbütteler Kraftwerks sei „ein weiterer wichtiger Schritt für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt“.
Nur Michael Pinetzki, stellvertretender Fraktionschef der Grünen im Steinburger Kreistag, sparte nicht mit Kritik. Schon ein einziges Kohlekraftwerk würde die Feinstaubbelastung in der Wilstermarsch beträchtlich erhöhen. Zudem seien andere Möglichkeiten der Energiegewinnung, etwa durch Windkraftanlagen, nicht ausgereizt.
Auch der niedersächsische Landtagsabgeordnete Detlef Mathiesen (Grüne) warnte, dass „Deutschland seine Verpflichtungen zum Schutz des Klimas nicht erfüllen kann, wenn derart massiv Kohlekraftwerke errichtet werden“. Es gehe bei den geplanten Neubauten „nur um Extraprofite für die Stromerzeuger“. Die Mär von der sauberen Kohlekraft sei eine „dreckige Lüge“.
Unterstützung erhält Mathiesen vom Parteichef der Grünen, Reinhard Bütikofer. Der Politiker forderte in einem Gespräch mit den Uetensener Nachrichten „ein klares Nein“ für alle drei geplanten Stader Kraftwerke und eine generelles „Moratorium“ für sämtliche Kohlekraftwerke in der Republik.
In Stade hatte sich hingegen der Kreistag vergangene Woche für den Bau der drei geplanten Kohlekraftwerke ausgesprochen, wenn modernste Technik verwendet und ein höchstmöglicher Wirkungsgrad erzielt werde. Der einstimmige Beschluss wurde auch von den vier Kreistagsabgeordneten der Grünen mitgetragen.