: Im Grunde grün
Am Mittwoch soll Hamburg erstmals eine schwarz-grüne Regierung bekommen. Dann steht die Wahl des Senats auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. Die taz stellt die zehn SenatorInnen vor
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Die Ära des Ole von Beust gibt es bereits: Zum dritten Mal nach 2001 und 2004 stellt sich der 53-Jährige am Mittwoch in der Hamburger Bürgerschaft der Wahl zum Ersten Bürgermeister. Angesichts der Mehrheit von 68 Mandaten von CDU und GAL gegenüber 53 von SPD und Linker dürfte nichts schief gehen.
Und dann kann die Regierungszeit des zweiten christdemokratischen Bürgermeisters in Hamburg nach 1945 historische Dimensionen annehmen. Der erste schwarz-grüne Regent würde am 8. Dezember 2011 den Rekord des Sozialdemokraten Max Brauer als am längsten amtierender Regierungschef toppen. Ein Jahrzehnt von Beust – und da drei Monate später im Februar 2012 die nächsten regulären Wahlen anstehen, würde er wohl noch ein Weilchen weitermachen.
Bereits 1978 zog der Jurist als 22-Jähriger in die Bürgerschaft ein. 1993 wurde er Fraktionschef und im zweiten Anlauf als Spitzenkandidat 2001 Regierungschef – mit Hilfe des Rechtspopulisten Ronald Schill. Zweieinhalb Jahre später verbesserte von Beust das zweitschlechteste CDU-Ergebnis aller Zeiten von nur 26,2 Prozent auf das mit Abstand beste: 47,2 Prozent verschafften ihm für vier Jahre die absolute Mehrheit.
Seitdem kann der Machtpolitiker und gewiefte Taktiker mit dem Image des jungenhaften Strahlemanns, der in seiner Partei einfach nur Ole genannt wird, schalten und walten, wie es ihm beliebt. Selbst den Wechsel zu den Feinden von gestern, den Grünen, nahm der CDU-Parteitag vorige Woche ohne Debatte und ohne Gegenstimme hin. Zwar mehren sich in Partei und Presse die Fragen, ob von Beust auch nur eine politische Überzeugung habe, die er im Zweifel nicht verraten würde. Aber so lange er der CDU Macht und Posten sichert, ist er unangreifbar.
Die Nummer 2 in der Hierarchie der Hamburger Union ist Parteichef und Finanzsenator Michael Freytag. Der Jurist und Bankkaufmann, der am Sonntag seinen 50. Geburtstag feierte, ist nur drei Jahre jünger als von Beust, gilt aber dennoch als Kronprinz. Bei den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen führte er das große, das letzte Wort gleichwohl hatte von Beust. Kritiker bezweifeln, dass Freytag genügend Charisma, Glaubwürdigkeit und Sympathie in der Öffentlichkeit habe, um Wahlen zu gewinnen.
Wahrscheinlich wird von Beust, wenn Schwarz-Grün funktionieren sollte, deshalb 2012 erneut antreten und nach einem oder zwei Jahren an Freytag übergeben. Wenn bis dahin jedoch ein starker Konkurrent auf den Plan getreten sein sollte, könnte Freytag aber auch als Prince Charles der Hamburger CDU enden.
Für solche Karrierehoffnungen oder -ängste haben die beiden grünen Alphafrauen im Senat keine Zeit. Christa Goetsch, Zweite Bürgermeisterin und Schulsenatorin, und Anja Hajduk, die das Ressort Stadtentwicklung und Umwelt übernimmt, stehen von Beginn an unter hohem Erfolgsdruck. Bei zwei Kernpunkten der Koalition – Schulreform und Kohlekraftwerk Moorburg – geht es um ihre Glaubwürdigkeit und die der GAL.
Die 55-jährige Lehrerin Goetsch, seit 2002 Fraktionschefin und zweimal Spitzenkandidatin bei Bürgerschaftswahlen, ist die unangefochtene GALionsfigur. Die Gründe sind ihre hohe Glaubwürdigkeit nach außen, ihre Integrationskraft intern sowie die Leidenschaft und Kompetenz, mit der sie Bildung zu einem zentralen Politikfeld der Grünen machte.
Vordringlich für die GAL und für Goetsch selbst ist das Gelingen der Schulreform, wie die Koalitionspartner sie als Kompromiss vereinbart haben. Die Primarschule noch in dieser Legislaturperiode einzuführen ist unabdingbare Pflicht – gegen Widerstände von Gymnasialverbänden und Elternvertretungen, aber teilweise auch ihrer eigenen Basis in der Lehrergewerkschaft GEW sowie nicht zuletzt der CDU-Schulpolitiker.
Nicht nur wegen Moorburg und der Billigung der Elbvertiefung steht auch Hajduk unter enormem Erfolgsdruck. Zum einen wird sie als Umweltsenatorin oberste Sachwalterin grüner Ur-Kompetenz sein, zusätzlich aber ist sie zuständig für die großen Infrastrukturfragen: Zu ihrem Mega-Ressort zählen auch Verkehr und Bau.
Mithin ist die grüne Parteichefin verantwortlich für die Einführung von Stadtbahn, Umweltzonen, City-Maut und Shared-Space-Projekten sowie den Ausbau von Radwegen; die Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus und die soziale Entwicklung armer Quartiere muss die 44-Jährige mit dem ausgeprägten Hang zu Zahlen, Daten und Fakten ebenfalls managen.
Die Erfolge Goetschs und Hajduks entscheiden nicht nur über den Bestand der Koalition, sondern auch über die nahe Zukunft der GAL. Von ihrer Stärke im Senat wird es wesentlich abhängen, ob Schwarz-Grün ein Politikmodell mit Substanz sein kann.
Die sechs weiteren Senatsmitglieder bilden die zweite Reihe. Was nicht bedeutet, dass ihnen – vor allem den vier Männern – Ehrgeiz fremd wäre. Die parteilose Kultursenatorin Karin von Welck (60) darf weitermachen und sich künftig auch noch um den Sport kümmern; Herlind Gundelach (59) ist die einzige Frau mit CDU-Parteibuch in der Regierung. Die Staatsrätin in der Umweltbehörde soll Wissenschaftssenatorin als Nachfolgerin des parteilosen Alleswissers Jörg Dräger werden.
Der 48-jährige Bau- und Umweltsenator Axel Gedaschko (CDU) übernimmt die Wirtschaftsbehörde, was als Karriere fördernd gelten darf. Er könnte ärgster Rivale Freytags werden, wenn es dereinst um die Nachfolge von Beusts geht. Eher im Stillen arbeitet der neue CDU-Sozialsenator Dietrich Wersich. Der 44-jährige Mediziner, bislang Staatsrat der Sozialbehörde, gilt ebenso wie die drei zuvor Genannten als GAL-kompatibel.
Das sieht beim bisherigen Innenstaatsrat und künftigen Innensenator anders aus. In nur sieben Jahren hat der CDU-Jurist Christoph Ahlhaus eine rasante Karriere hingelegt: 2001 kam er als Parteigeschäftsführer aus Heidelberg nach Hamburg, zog drei Jahre später in die Bürgerschaft ein, wurde Staatsrat und Parteichef im CDU-Kreis Nord. Ein Hardliner ist der 39-Jährige auf jeden Fall.
Jüngster Senator ist der 34-jährige Rechtsanwalt Till Steffen, der die Justizbehörde übernimmt. Der GALier begreift Rechtspolitik „nicht als Mittel der Repression“. Da wird er mit seinem Kollegen Ahlhaus allerlei Gesprächsbedarf haben.