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Archiv-Artikel

Ein grüner Schwarzer für Schwarz-Grün

Brokdorf, Februar 1977 – das hat ihn geprägt. Die nasse Wiese vor der Baustelle des Atomkraftwerkes an der Unterelbe, ein paar zehntausend Protestierer, Polizei, Bundesgrenzschutz, Hubschrauber. Und mittendrin, zusammen mit seiner Mutter, ein knapp 13-jähriger Hamburger Gymnasiast: Dietrich Wersich.

Am Mittwoch wird der Christdemokrat zum Senator für Soziales, Familie und Gesundheit in der ersten schwarz-grünen Regierung im Stadtstaat an der Elbe ernannt. Fast wäre er bei den Grünen gelandet, aber die waren ihm damals zu chaotisch. Und mit denen aus den K-Gruppen konnte er erst recht nichts anfangen. Dazu sei er wohl „vergleichsweise zu wertkonservativ“, sagt Wersich jetzt. Bewährtes bewahren und die Schöpfung achten, diese Tugenden seien ihm mitgegeben worden von seinen Eltern, und dazu gehöre auch die gesunde, vegetarische Ernährung. Inzwischen isst er, der selbst gern kocht, auch mal Fleisch, „aber dann bio, natürlich“.

Dietrich Wersich ist Arzt, war neun Jahre Geschäftsführer eines kleinen privaten Hamburger Theaters, sieben Jahre lang Abgeordneter in der Bürgerschaft – und das alles gleichzeitig. Hyperaktiv oder auch nur unstet jedoch ist der 44-Jährige keineswegs. „Man musste schon fleißig sein“, sagt er im Rückblick. Tagsüber Arzt im Krankenhaus sein, Politik im hansestädtischen Feierabendparlament machen und so nebenbei noch ein bisschen in der Kulturwelt managen – es würden doch viele Menschen viel Zeit und Kraft in Hobbys stecken, sagt Wersich.

Seit 2004 ist er nur noch Staatsrat – Vollzeit, versteht sich – in der Behörde, auf deren Chefsessel er nun wechselt. Akribisch und sachlich tritt Wersich auf der politischen Bühne auf, er ist kein Lautsprecher und er formuliert präzise. Er wolle „ein Klima fördern, in dem Menschen aufsteigen können“, sagt er über seine künftige Aufgabe als Sozialsenator und dass er fest an „Aufstieg durch Bildung“ glaube. Ihm, der aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammte, gelang das schließlich auch.

Beim neuen Koalitionspartner genießt Wersich durchaus Wertschätzung, verkörpert er doch den Typus des liberalen, großstädtischen Christdemokraten, der mit hackenknallendem Rechtskonservatismus so rein gar nichts anfangen kann. Und das nicht nur, weil er „unverheiratet und getrennt wohnend in fester Partnerschaft“ lebt, wie er es formuliert haben möchte. Als schwarz-grüner Modellpolitiker aber sieht sich Wersich keineswegs.

Sein „Grundtenor als Mediziner und auch als Politiker“ sei, sagt er, „ganz einfach das Bemühen um Menschenfreundlichkeit“. SVEN-MICHAEL VEIT