: Rosen statt Opium
Die Produktion von Rosenöl ist eine Alternative zum Drogenanbau. Aber der Markt ist begrenzt
Wenn Mohammed Azlam* im Morgengrauen zu seinem Feld geht, bleibt ihm nicht viel Zeit. Er muss Rosen ernten. Eine leichte Arbeit, die aber unter großem Zeitdruck erledigt werden muss, denn die frischen Blüten der Damaszener Duftrose müssen gepflückt sein, bevor die Sonne brennt. Sonst verlieren sie ihr herrliches Duftaroma und werden welk. Um acht Uhr kommt der Lieferwagen, der im Dorf die Blüten einsammelt und in die Destillationsanlage der Distrikthauptstadt bringt. Bei der Anlieferung breitet sich der betörend süßliche Geruch der frischen Rosenblüten aus. Dann landen sie in den riesigen Kupfertöpfen, in denen schon das Wasser brodelt. Die Destillation der Blüten kann beginnen.
Mohammed Azlam ist einer von 170 Bauern in Ostafghanistan, die im Rahmen eines Projekts der Welthungerhilfe Ölrosen anbauen. Vor wenigen Jahren wuchs auf dem Feld der Familie noch Schlafmohn – eigentlich sehr rentabel und für viele Kleinbauern die einzige Möglichkeit, genügend Einkommen für die Familien zu erwirtschaften. Doch das Risiko, dass die Regierung die illegal angelegten Mohnfelder zerstören könnte, wächst. Die Familie von Mohammed Azlam besitzt gerade einmal einen viertel Hektar, hoch in den Bergen und weitab von guten Straßen. Der Anbau von Marktgemüse – eigentlich recht profitabel – macht in dieser abgelegenen Gegend wenig Sinn. Die Damaszenerrose gedeiht auf den kargen Böden der trockenen Bergregion sehr gut. Ihre Wurzeln reichen bis zu acht Meter in die Tiefe und versorgen die Pflanze mit ausreichend Wasser. Die intensive Sonneneinstrahlung in der Wachstumsphase und die kalten Nächte sorgen für den unvergleichlich intensiven Duft der Damaszenerrose. Eine Verwandte der in Bulgarien und der Türkei kultivierten Arten wächst in Afghanistan wild und wird seit vielen Jahrhunderten als Heil- und Duftmittel geschätzt. Zudem hat die Rose im Islam als „Blume des Propheten“ eine große Bedeutung. Für die Welthungerhilfe Grund genug, die Rose als Kulturpflanze in der Region einzuführen. Und wie erwartet, ist der Ölertrag sehr zufrieden stellend. Im zweiten Erntejahr 2007 wurden bereits 5,5 Liter ökologisch zertifiziertes Rosenöl nach Deutschland exportiert und dort zum wichtigen Bestandteil von Naturkosmetik. Auf den ersten Blick erscheint die Menge gering. Doch für die Herstellung eines Liters werden 4.000 bis 5.000 kg frische Blüten benötigt. Und ein Liter ökologisches Rosenöl kostet auf dem internationalen Markt etwa 4.000 Euro. Aber auch in Afghanistan gibt es Abnehmer für Rosenprodukte. Lokale Heiler produzieren das in Afghanistan sehr beliebte Heilmittel Golqand, ein Ferment von frischen Rosenblüten. Darüber hinaus werden getrocknete Rosenblüten vermarktet und zu Rosenwasser verarbeitet, das zur Herstellung von Süßspeisen, zur Körperhygiene und bei religiösen Bräuchen verwendet wird. Der Anbau von Ölrosen bietet den Bauern eine echte Alternative zu Opium. Der Gewinn fällt zwar niedriger aus als beim Anbau von Schlafmohn, doch das Risiko des Totalausfalls aufgrund der Zerstörung von Feldern entfällt. Eine Herausforderung für die Initiatoren des Rosenprojekts ist es, die Vermarktung langfristig sicherzustellen. Das erfordert geeignete Strukturen sowie einen Investor mit Geld, Expertise und dem erforderlichen Verantwortungsbewusstsein für die Belange der Kleinbauern. Betrachtet man die Flächen, auf denen in Afghanistan Schlafmohn angebaut wird, wird deutlich, dass die Rose das Opium nicht vollends verdrängen kann. Für die Belieferung des gesamten Weltmarkts für Rosenöl wären maximal 5.000 Hektar Rosen erforderlich. Dem stehen 193.000 Hektar gegenüber, auf denen im Jahr 2007 in Afghanistan Schlafmohn angebaut wurde.
* Name von der Autorin geändert
ALEXANDRA BURMANN