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Archiv-Artikel

Brachliegende Flächen verschmutzen die Luft

Forscher zeigen: Ackerstaub aus der Ukraine kann die Feinstaubbelastung auch in Westeuropa verstärken

BERLIN taz ■ Es ist ein warmer, sonniger Tag im Süden der Ukraine. Die Luft ist trocken, es hat schon seit mehreren Wochen nicht geregnet. Immer wieder wirbeln die Windböen Staubwolken von dem feinen Schwarzerdeboden, einem der fruchtbarsten, aber auch erosionsanfälligsten Böden in der Region. Einen Tag später klingelt im Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig das Telefon. Im Erzgebirge wurde ein ungewöhnlicher Gelbschimmer in der Luft beobachtet, und die Kontrolleure für die Feinstaub-Grenzwerte wundern sich über stark verschmutze Filter.

Zwar war schnell klar: Die üblichen Verdächtigen – der Sahara-Wind, Waldbrände oder Kohlekraftwerke – kamen nicht in Frage. Entweder war es die falsche Windrichtung oder die in den Filtern gefundenen Partikel passten nicht. Es dauerte aber eine Weile, bis der Troposphärenforscher Wolfram Birmili die Ursache für die Phänomene ausgemacht hatte. Auf einer Satelliten-Aufnahme wurden er und seine Kollegen schließlich fündig: eine Rotfärbung in Form einer riesigen Staubwolke aus der Ukraine. 60.000 Tonnen Ackerstaub, so schätzen die Forscher, wurden an dem Tag von den Feldern aufgewirbelt und nach Mitteleuropa getragen.

„Es war die Kombination aus trockenem Boden, starkem Wind und der Großwetterlage, die das Ereignis verursacht hat“, beschreibt Birmili. Noch bezeichnet er es als „außergewöhnlich“. Doch mit dem Klimawandel könnten solche Phänomene häufiger vorkommen. Anhaltspunkte liefern die Forscher gleich mehrere: Zwei Drittel der Ukraine sind Felder und Wiesen, also potenzielle Brachflächen. Auf 220.000 Quadratkilometern gilt der Boden als bedroht.

Dazu kommt: Die Region liegt an der Schwelle von der trockenen zur gemäßigten Zone. Daher erwarten die Forscher hier verstärkt die Folgen der globalen Erwärmung. „Mit dem Klimawandel kann sich auch die Zirkulation ändern“, sagt Birmili. Würde sich der Wind auf lange Sicht drehen, bekäme Mitteleuropa öfter Staub aus der Ukraine.

Denn in dieser Region treten Staubwolken häufiger auf: Sechs- bis siebenmal im Jahr schätzt Birmili. Forscher aus Russland seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zahl der Staubstürme seit den 30er-Jahren zugenommen hat.

Und der Feinstaub wirkt selbst auf den Klimawandel ein – zum Beispiel, in dem er die Erdwärme dämpft, die ins All abstrahlt. Daher gehen die Forscher noch einen Schritt weiter: Zwar sei der größere Teil der Feinstaubproblematik in Mitteleuropa hausgemacht, doch die neuen Erkenntnisse müssten zusätzlich dazu führen, dass die Feinstaubbekämpfung über die Staatsgrenzen hinaus koordiniert wird. Das heißt: zunächst ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen. Und als Konsequenz daraus die Brachflächen wieder zu bepflanzen. SVENJA BERGT