Neue Leitung im Landesmuseum

„Ich kann nicht nur in Schienen denken“: Frauke von der Haar, die neue Direktorin des Focke-Museums, will SchülerInnen und migrantische Lebenswelten nach Schwachhausen holen

FRAUKE v.d. HAAR, 48, studierte Volkskunde in Marburg und war unter anderem Vizechefin des Solinger Klingenmuseums. Ihre Promotion schrieb sie über Frauenvereine in Hessen.

Interview: Henning Bleyl

taz: Frau von der Haar, bundesweit hatten sich nur 27 BewerberInnen gefunden, die die Leitung des Focke-Museums übernehmen wollten. Birgt Ihre neue Aufgabe so viele Tücken?

Frauke von der Haar: Ich hoffe nicht. Natürlich ist bundesweit bekannt, dass sich Bremen in einer Haushaltsnotlage befindet, aber die hiesige Sammlung und auch die Museumsgebäude sind zweifellos attraktiv. Vermutlich war es für potentielle Bewerber problematisch, sich auf eine befristete Stelle zu bewerben. Anders als etwa im Theater hat man in der Ausstellungsplanung ja extrem lange Vorlaufzeiten.

Was ist in Bremen anders, als Sie es sich von München wohlmöglich vorgestellt haben?

Man wird sehr herzlich empfangen und kriegt schnell mit, dass hier die zahlreichen Stiftungen eine entscheidende Rolle im Kulturleben spielen. Das kenne ich aus den Flächenländern so nicht.

Sie gelten als Fachfrau für Klingen und Schienen. Werden Sie im Focke-Museum neue inhaltliche Akzente setzen? Die bremische Technikgeschichte ist ja eher von Schiffen, Flugzeugen und Autos geprägt.

Sie müssen das Thema globaler sehen: Es geht um Mobilität – als Volkskundlerin kann ich nicht nur in Schienen denken. Meine Aufgabe als Abteilungsleiterin für Schienenverkehr am Deutschen Museum in München bestand unter anderem darin, die technischen Fortbewegungsmethoden in Themenfelder wie „Nahverkehr“ und „Geschichte des Reisens“ einzubetten. Entscheidend ist ja, dass man die Alltagsgeschichte der Menschen hinter den Exponaten sichtbar macht. Aber ich will nicht verhehlen, dass ich ein großes Herz für Straßenbahnen habe.

Um zum Focke zu gelangen, kann man ja auch ausgiebig seiner Lust aufs Bahnfahren frönen. Haben Sie Ideen, wie man mit der etwas abseitigen Lage des Hauses umgehen könnte?

Ein richtiges „Schaufenster“ in der Innenstadt wäre ziemlich aufwendig, auch personell – eventuell tun es auch Schaukästen. Und an der Schwachhauser Heerstraße sollte man vielleicht mal was Freches aufstellen.

Museen generieren ihre Besucherzahlen zunehmend durch spektakuläre Sonderausstellungen, die manchmal wenig mit den originären Inhalten und Aufgaben der Häuser zu tun haben. Kann man sich diesem Trend überhaupt noch entziehen?

Sonderschauen sind heutzutage ein äußerst effizientes Instrument, mit dem man viele Partner gewinnen kann. Mit „Herculaneum“ und „Luxus und Dekadenz“ wurden hier sehr erfolgreiche Ausstellungen gemacht, die auch gut zum Haus passen.

Wobei Bremen nicht direkt am Mittelmeer liegt.

Aber wir haben eine sehr gute Abteilung für Ur- und Frühgeschichte.

Haben Sie eine Idee oder gar Vision, in welche Richtung sich kulturgeschichtliche Museen künftig entwickeln könnten?

Es kommt drauf an, sich noch viel mehr auf die Bedürfnisse der verschiedenen Besuchergruppen einzustellen. Wir haben gerade eine langfristige Zusammenarbeit mit der Gesamtschule Ost vereinbart, von der wir uns viele Impulse erhoffen. Man muss ja ein Gefühl dafür entwickeln, welche Themen diese Besucher hier gerne finden würden – vielleicht gibt es dann auch Kinder, die selber Führungen übernehmen. Migration müsste auch eine größere Rolle im Museum spielen.

In der Dauerausstellung fällt ohnehin auf, dass die kontinuierliche Darstellung der hiesigen Geschichte 1945 endet.

In der Tat. Dafür muss eine langfristige Lösung gefunden werden. Aber da das Haus ohnehin schon sehr eng bestückt ist, geht das eigentlich nur mit einer baulichen Erweiterung.

Ihr jetziger Vertrag endet 2016. Was würden Sie dann gern über das Focke sagen können?

Dass das Haus als wichtige Kulturinstitution Bremens auch über dessen Grenzen hinaus weiter an Beliebtheit und Bekanntheit gewinnt. Dafür ist nicht nur der Erhalt, zum Beispiel die Sanierung der Magazine wichtig, sondern auch attraktive Sonderausstellungen: Im kommenden Jahr widmen wir uns der Bremer Polizei, danach soll es um Manieren und Silber gehen.