: Deutsche Profs sollen an den Bosporus
Deutschland und die Türkei bauen eine gemeinsame Universität in Istanbul. Das Gebäude bezahlt die Türkei, das Lehrpersonal kommt aus Deutschland. Schon 2009 sollen dort die ersten Studenten lernen – dabei gibt es noch nicht einmal ein Gelände
VON JÜRGEN GOTTSCHLICH UND WOLF SCHMIDT
Den Gründungsmythos der „Türk-Alman Üniversitesi“ lieferte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gleich mit. Vor zwei Jahren habe er mit seinem damaligen türkischen Kollegen Abdullah Gül am Bosporus gestanden. Sie plauderten über die deutsch-türkische Zusammenarbeit, da kam wieder die alte Idee einer gemeinsamen Uni auf.
Am Freitag nun hat Steinmeier zusammen mit Güls Nachfolger Ali Babacan und Wissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU) die Gründungsakte der deutsch-türkischen Universität unterzeichnet. So bald wie möglich soll nun in Istanbul ein Campus entstehen, auf dem in Kooperation beider Länder Studenten ausgebildet werden. Geplant ist eine staatliche türkische Universität, auf der vorzugsweise in Deutsch unterrichtet wird. Die türkische Seite will dafür das Gebäude zur Verfügung stellen, aus Deutschland soll der größte Teil der Professoren kommen. Unter Leitung des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes (DAAD) wird zurzeit ein Konsortium deutscher Hochschulen gebildet, die als Partner für die Uni in Istanbul fungieren sollen. Unter den 14 Unis sind laut DAAD die FU Berlin, die TU Dortmund und die Universität Heidelberg.
Die Uni in Istanbul soll zunächst vier Fakultäten haben: Rechtswissenschaft, Naturwissenschaften, Ingenieurswissenschaften und Wirtschafts-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Als Abschlüsse sollen Bachelor, Master und der Doktorgrad (PhD) erworben werden können, die möglichst sowohl in der Türkei als auch in der EU gültig sind.
Beide Seiten gehen davon aus, dass es ein wachsendes Interesse für die neue Uni gibt, weil zum einen Deutschtürken oder Deutsche mit türkischem Hintergrund als Zielgruppe in Frage kommen, wie auch Absolventen deutscher Schulen in der Türkei. Mittelfristig wird mit 5.000 Studierenden gerechnet.
Durch das wachsende Engagement deutscher Firmen in der Türkei hätten, so wird erwartet, die Absolventen gute Berufschancen, da schon jetzt Bedarf an Leuten besteht, die sich in beiden Kulturen auskennen.
Doch was sich gut anhört, ist bis jetzt nur ein Projekt auf dem Papier – und noch dazu ein ziemlich altes, das lange vor Steinmeiers Amtszeit angedacht wurde. Schon Anfang der 90er-Jahre wollte man eine deutsch-türkische Uni ins Leben rufen, geworden ist daraus nichts. Auch jetzt fehlt es nicht nur an einem geeigneten Gebäude, selbst ein Grundstück ist noch nicht vorhanden. Ob später wirklich das Geld für den Bau und den Unterhalt da ist, muss sich erst zeigen. Auch die Höhe möglicher Studiengebühren ist noch unklar. Noch ist das Studium an einer staatlichen Uni in der Türkei fast gebührenfrei, doch das kann sich bald ändern. Die privaten Universitäten, deren Anzahl ständig wächst, kosten schon jetzt bis zu 5.000 Euro pro Semester.
Doch das sind Fragen, die sich erst später stellen. Mit der Unterschrift vom Freitag, sagt ein Insider auf deutscher Seite, ist erstmals ein Grad von Verbindlichkeit erreicht, bei dem auch ein Minister- oder Regierungswechsel nicht wieder das Aus für das ganze Projekt bedeuten würde. „Das, was auf dem Papier steht, werden wir jetzt umsetzen“, sagte Babacan. Der DAAD geht davon aus, dass schon im Herbst 2009 die ersten Studenten den Campus bevölkern.
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