FDP auf der Suche nach dem Antikapitalismus

Hetzen Schulbücher gegen die soziale Marktwirtschaft? Die Niedersachsen-FDP stört sich an „Irrlehren“ in den Verlagsprodukten. Ob die tatsächlich linke Parteipolitik betreiben, beschäftigt heute den Landtag

„Es kann nicht sein, dass unsere Schüler zu Alt-68ern erzogen werden“

Wer ist Walter Eucken? Logisch, dass kaum jemand den Ökonom und „Erfinder“ der sozialen Marktwirtschaft kennt. „Im Unterricht kommt er praktisch nicht vor – das muss man sich mal vorstellen“, sagt Philipp Rösler, Fraktionschef der Niedersachsen-FDP. Weil auch seine Abgeordneten die Darstellung der Marktwirtschaft in Schulbüchern für “sehr häufig realitätsfern und falsch“ halten, haben sie nun eine Anfrage an die Landesregierung gestellt, die am heutigen Freitag beantwortet werden soll.

„Es kann nicht sein, dass unsere Schüler zu Alt-68ern erzogen werden“, sagt Björn Försterling, selbst erst 25 Jahre alt. Er stützt sich in seiner Kritik auf eine Studie der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, die „Irrlehren“, „Mythenbildung“ und “antikapitalistische Rhetorik“ in acht niedersächsischen Gymnasiums-Schulbüchern anprangert. Hier werde keineswegs neutral beschrieben, sondern ganz „klar Parteipolitik betrieben“, und zwar linke, sagt Försterling. Deshalb fragt er auch nach, ob das Kultusministerium künftig Vorgaben für Schulbücher „vor allem in Bezug auf Ausgeglichenheit und Realitätstreue“ machen will.

In „Terra Erdkunde“ für die 10. Klasse werde ein direkter Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit hergestellt, meint Försterling. In einem Politikbuch für die 11. Klasse werde sogar „versucht, generell eine antikapitalistische Stimmung zu erzeugen“. Der Hut geht dem Jung-Liberalen Försterling auch hoch, wenn er den Satz „Der Staat muss notleidenden Unternehmen helfen“ aus dem Buch „Politik und Co 2“ des Bamberger Buchners-Verlags liest.

Der Emotionspegel steigt auch bei den betroffenen Verlagen, wenn sie von der liberalen Kritik hören. „Die FDP meint wohl, wir müssen ihr Parteiprogramm in den Schulbüchern abdrucken“, erwidert der verantwortliche Buchners-Schulbuchredakteur Andreas Gerster. Keineswegs betreibe sein Lehrbuch Hetze gegen die Marktwirtschaft. „Schlimmstenfalls“ müsse man annehmen, „ein Schulbuch für den Politikunterricht der Mittelstufe“ überfordere die „intellektuellen Fähigkeiten“ des Studien-Autors der Naumann-Stiftung, sagt Gerster. So gehe es bei dem angekreideten Satz „gerade nicht um eine politische Forderung, sondern um eine kritische Auseinandersetzung mit den Aufgaben des Staates“ .Auch beim Braunschweiger Westermann-Verlag, der das von der FDP beanstandete Buch „Diercke Erdkunde 9“ herausgibt, ist man auf die Partei nicht gut zu sprechen. Während die Verfasser der Studie der Naumann-Stiftung meinen, das Buch beschreibe die Folgen des Welthandels als „Entlassungen, Entlassungen, Entlassungen“, ärgert sich der zuständige Geschäftsführer Thomas Michael über „reine Meinungspeitsche“.

Schulbücher würden begutachtet und müssten sich nach Lehrplänen richten, sagt Michael. Auch wenn die Naumann-Studie das kritisiere: Michael findet es völlig korrekt, wenn sein Buch beim Thema Globalisierung auch auf das „Fairtrade“-Siegel für fair gehandelte Ware verweist: „Wenn Kinder in Entwicklungsländern mit bloßen Zähnen Batterien aufbrechen müssen, muss Schule auch unterschiedliche Pfade für die Zukunft aufzeigen.“ KAI SCHÖNEBERG