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Archiv-Artikel

Korrekt, aber nicht sauber

Lichtblick steht wegen Einkäufen an der Strombörse in der Kritik. Das liegt an der Struktur des Marktes, sagt der Ökostromanbieter

STROMMIXE DER ÖKOS

Lichtblick (Hamburg): 405.000 Kunden, offiziell 100 Prozent regenerativ

Greenpeace Energy (Hamburg): 80.000 Kunden, offiziell 100 Prozent regenerativ

Elektrizitätswerke Schönau: 75.000 Kunden, offiziell 95 Prozent regenerativ, 5 Prozent Kraft-Wärme-Kopplung

Naturstrom (Düsseldorf): 23.000 Kunden, offiziell 100 Prozent regenerativ BAJ

FREIBURG taz ■ Wer just am Mittwoch einer vielleicht schon länger gehegten Absicht folgend endlich auf Ökostrom wechseln wollte und dafür die Website des Branchenführers Lichtblick besuchte, stieß dort auf eine irritierende Stellungnahme: Gleich auf der Startseite räumt das Unternehmen ein, auch Strom an der Leipziger Strombörse EEX einzukaufen. Dort aber wird bekanntlich nur ein allgemeiner Strommix gehandelt, der auch Kohle- und Atomstrom enthält. Nur eine Seite weiter aber erfahren Interessenten, dass Lichtblick seinen Strom „vollständig aus regenerativen Energiequellen“ beziehe. „Schummelei beim Ökostrom“ also, wie die Financial Times Deutschland am Mittwoch auf der Titelseite meldete und dadurch die Hamburger erst zu dieser Stellungnahme veranlasste?

Lichtblick selbst beziffert darin die Menge, die man auf der Strombörse EEX einkaufe, auf „0,5 Prozent bezogen auf die insgesamt an Endkunden abgegebene Energiemenge“. Unter Berufung auf nicht namentliche genannte Insider sprach die FTD gar von 2 Prozent.

In seinem offiziellen Strommix hingegen weist Lichtblick einen Anteil von hundert Prozent erneuerbaren Energien aus. Doch dieser ausgewiesene Ökostromanteil, der eingedenk der Einkäufe an der Börse wie ein Schwindel anmuten mag, ist durchaus korrekt.

Denn in der Jahresbilanz kauft Lichtblick tatsächlich so viel Strom aus regenerativen Quellen ein, wie die Kunden des Unternehmens verbrauchen. Weil die Nachfrage nie hundertprozentig zu prognostizieren ist, gibt es allerdings Zeiten, in denen Lichtblick Überschuss an Ökostrom hat, und in anderen Zeiten hat das Unternehmen zusätzlichen Bedarf. Diese Fluktuationen gleicht Lichtblick über die EEX aus. „Zertifizierer akzeptieren solche Abweichungen von den Prognosewerten, solange sie nicht über 3 bis 5 Prozent liegen“, sagt der Lichtblick-Sprecher Gero Lücking.

Bei dem EEX-Handel handele es sich nur „um zwangsläufig auftretende Mengen“, schreibt Lichtblick. Dieser Sachverhalt sei „in energiewirtschaftlichen Fachkreisen eine Selbstverständlichkeit“. In der Branche gebe es einen „breiten Konsens, der diesem Umstand, der durch die Nichtspeicherbarkeit des Produktes Strom und damit dieser besonderen Gegebenheit des Produktes und Marktes geschuldet ist, Rechnung trägt“. Will es heißen: Es geht nicht anders.

Robert Werner, Vorstandsmitglied des Mitbewerbers Greenpeace Energy, beschreibt das Phänomen des Ausgleichs so: „Wenn während der Fußball-EM viele unserer Kunden abends beim Public Viewing sind, liefern wir während der 90 Minuten mehr Ökostrom ins Netz, als tatsächlich verbraucht wird.“ Dann sind viele Fernseher ausgeschaltet, und der Herd ist es häufig auch. Anschließend kommen die Leute auf einen Schlag nach Hause, wodurch in diesem Moment der Verbrauch über den Prognosewert steigen dürfte.

Obwohl an der Lichtblick-Praxis formal nichts auszusetzen ist, widerspricht sie aus Sicht vieler Kunden der reinen Ökostromlehre, zumal die drei anderen großen Ökostromanbieter Naturstrom, Greenpeace Energy und Elektrizitätswerke Schönau (EWS) eigenen Angaben zufolge mit den Schwankungen ganz ohne die Strombörse zurechtkommen.

Das Problem mit den Prognoseabweichungen haben sie freilich auch. „Wir gleichen das durch offene Lieferverträge aus“, sagt EWS-Geschäftsführer Martin Halm. Das heißt: Die EWS bezahlen einen Ökostromlieferanten dafür, dass dieser je nach Bedarf in gewissem Rahmen mehr oder weniger Strom liefert. „Das ist natürlich teurer als der Handel über die Börse“, sagt Halm. Auch Greenpeace Energy arbeitet mit offenen Lieferverträgen. Diese Methode sei „sicherlich nicht die billigste, aber die glaubwürdigste“. Somit dürfte die Praxis von Lichtblick auch ein Grund dafür sein, dass das Unternehmen günstigstere Preise anbieten kann als die Öko-Konkurrenz.

Doch selbst die hält sich mit Kritik an der Praxis des Marktführers zurück: „Seit zehn Jahren ist bekannt, dass das so läuft“, sagt Oliver Hummel, Geschäftsführer der Naturstrom in Düsseldorf. Denn man habe nur zwei Möglichkeiten, die schwankenden Nachfragemengen auszugleichen: entweder über die Börse oder aber über einen Vorlieferanten, der dann allerdings selber oder über weitere Vorlieferanten an der Strombörse handelt. Ein weiterer Schritt könnte eines Tages ein spezieller Markt für Ökostromprodukte an der EEX sein. Noch steht dem jedoch die geringe Strommenge entgegen, denn nur wenn ausreichende Kontingente gehandelt werden, kann eine vernünftige Preisbildung erfolgen.

Auch Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale Bundesverband hält die aktuelle Diskussion darüber, auf welchem Wege die Stromanbieter ihre Regel- und Ausgleichsenergie managen, nicht für entscheidend: „Viel wichtiger ist die Frage, was die Unternehmen tun, um die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien auszubauen. Denn nur damit verändern sie den gesamten europäischen Strommix.“

Verbraucherschützer werfen Lichtblick mangelnde Transparenz und „schlechten Stil“ vor „Seit zehn Jahren ist bekannt, dass das so läuft“, sagen die Kenner der Naturstrombranche

Gleichwohl äußert er auch Kritik an Lichtblick: „Die hätten transparenter mit dem Thema umgehen müssen“, sagt Krawinkel. Es sei ein „schlechter Stil“, wenn ein Unternehmen erst mit Informationen rausrücke, wenn Kritik aufkomme.

Offensichtlich scheute man sich bei Lichtblick vor der Diskussion über das schwierige Thema Strombörse. In der auch im Internet publizierten Liste der EEX-Marktteilnehmer ist Lichtblick nämlich gar nicht aufgeführt – obwohl der Ökostromanbieter mit eigenem Namen an der EEX registriert ist. Man habe, heißt es bei Lichtblick dazu, einfach keinen Grund gesehen, sich namentlich nennen zu lassen.

BERNWARD JANZING