piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Bühnenmonolog als Ernstfall

Längst über das Kabarett hinaus: Ein aktuelles Hörbuch bringt eine neue Auswahl von Sprechkunststücken des Metakomikers Heino Jaeger – pure Poesie!

Es sind weder Hausschuhe noch eine Kaltmamsell, dann müss… dann müssen wir’s halt verraten … Es ist … es ist ein Filmschauspieler. Ja, nun können wir, ich glaube, dann können wir auch die Masken ruhig … können wir dann abnehmen … Ja, der isses“, schließt Heino Jaeger seine wunderschön stegreifartige, aber zugleich verteufelt exakte Parodie von Robert Lembkes „heiterer“ TV-Beruferateshow „Was bin ich?“. Und wie brillant und wie wenig patinös Jaegers Persiflagekunst auch nach über dreißig Jahren noch ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass hinter dem wirklich nur leicht angeschrägten situativen Dummschwatz sich tatsächlich ein Bild einstellt – von der heute kaum noch erträglichen Langatmigkeit der Sendung etwa, vor allem aber von der Figur des Spielleiters in seiner gemütvollen Schweinderlhaftigkeit, in seiner leicht aufgesetzten Jovialität. Jaeger ist gar nicht Lembkes Parodist, sondern echter als der selbst, ein Jupiter-Amphitryon, er hat ihn sublimiert, idealisiert, auf den Punkt gebracht.

Wie viel Kunstfertigkeit dazu gehört, offenbart sich vielleicht am ehesten in den leicht vergeigten Momenten – die als Kontrastmittel aber unbedingt dazugehören –; wie etwa der Rudi-Carrell-Parodie in dessen Figuration als Samstagabend-Showmaster von „Am laufenden Band“. Hier wirkt Jaeger fast ein bisschen fahrig, das Gelalle und Gestottere und die langen Pausen gehören weniger zur Rolle, sind wohl eher seiner eigenen Unsicherheit geschuldet, wie er sich in den Mann materialisieren soll. Er trifft den typischen niederländelnden Carrell-Idiolekt nicht hundertprozentig, wiederholt sich bei der diffamierenden Vorstellung der Kandidatin („… dann sind Sie ein bisschen Hausfrau, backen, kochen, ein bisschen Kuchen auch“), obwohl gerade das natürlich auch Kalkül sein kann. So richtig kommt er nicht hinein in die Figur. Vielleicht hat sie ihn auch nicht genügend gefordert und also interessiert – einen Hanswurst muss man nicht mehr persiflieren.

Diese dritte CD mit Jaeger-Sprechkunststücken, einmal mehr von Eckhard Henscheid herausgegeben und mit einem kundigen Beiwort versehen, versammelt Arbeiten für den Saarländischen Rundfunk: vor allem Studiotakes aus der Reihe „Das aktuelle Jaeger-Magazin“ (von 1977/8), aber auch ein paar ältere Livepieces aus „Hanns Dieter Hüschs Gesellschaftsabend“ (1973/74). Und nicht zuletzt diese Bühnenmonologe – denn das ist nun mal der Ernstfall! – demonstrieren die somnambule Sicherheit seiner Performance, etwa wenn er einen offenbar altgedienten Arzt bei der Krankheitsanamnese virtuos inkarniert, mit all seiner geheuchelten Empathie und den forciert hingenuschelten, kryptischen Selbstgesprächen.

In der Live-Situation zeigt sich denn auch die mephistophelische Dimension seiner Kunst, die das Schenkelklopfer-Kabarett-Publikum bisweilen gleich mit verheizte, weil es dessen ironischen Mehrfachbrechungen offenbar nicht gewachsen war. In dem wunderbaren Opener „Der Conférencier“ spielt er einen nun wirklich saublöden, Witzfossilien aus dem Diluvium ausgrabenden Stegreifkomiker, der sich ständig selbst unterbietet – zum immer lauteren Gaudium des Saals, der hier endlich ganz bei sich ist und eins zu eins beklatscht, was Jaeger gerade durch totale Übererfüllung zu demontieren versucht. Hier bekommt man vorgeführt, warum man ihn in seiner erfolgreichsten Zeit als schnöden Nonsens-Komiker missverstehen musste. Man hat den Sinn dieser Metakomik einfach nicht begriffen. Was Heino Jaeger auch auf dieser neuen Auswahlausgabe inszeniert, das ist schon längst kein Kabarett mehr, sondern Wortkunst reinsten Wassers. Pure Poesie. FRANK SCHÄFER

Heino Jaeger: „Wie sieht’s bei euch aus?“ Kein & Aber Records. Spieldauer: 71 Min.