Das Recht am eigenen Image

Der Kampf gegen Stereotypien, Assimilationsforderung und Skepsis – die Migrationskonferenz der Linksfraktion war einen Tag lang auf der Suche nach Interkulturalität

VON CHRISTIAN JAKOB

Jeder fünfte Bremer gilt als Migrant, Menschen aus 180 Nationen haben sich an der Weser niedergelassen. Was „diese bewegt und welche Bedürfnisse sie haben“ – das wollte die Bürgerschaftsfraktion von Die Linke herausfinden. Aller Verfassungsschutzbeobachtung zum Trotz überließ ihr Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) am Sonnabend zu diesem Zweck einen ganzen Tag lang das Parlamentsgebäude.

„Hier sind wir zuhause“ nannte die Fraktion ihre ambitionierte Migrationskonferenz, zu der mehrere hundert Menschen kamen. Auch wenn man sich explizit vorgenommen hatte, „miteinander statt übereinander“ zu reden, wurden die Panels stark von – migrantischen – ExpertInnen, weniger von „einfachen“ MigrantInnen dominiert.

Eine Art ‚Recht am eigenen Image‘ reklamierte das Podium im Bürgerschafts-Festsaal zur Repräsentation von MigrantInnen in den Medien. Zu Beginn wütete die als „Lady Bitch Ray“ bekannte Bremer Rapperin Reyan Sahin über ihren – durch eine Redakteurin ebenfalls vertretenen – Ex-Arbeitgeber Funkhaus Europa. „Was die wollen, sind Arschkriecher-Migranten“, urteilte Sahin. Auch in „migrantennahen“ Medien wie eben Funkhaus Europa oder Radio Multikulti seien die fest angestellten Redakteure – also die Entscheidungsträger– stets deutsch. „Die lassen nur die Bilder von Migranten zu, die sie selber sehen wollen.“ Das seien bevorzugt Stereotype wie Kopftuchfrauen oder Unarten wie Kaya Yanars „Ethno Comedy“.

Ohne Sahins stetige, etwas angestrengt eingeflochtene Quoten-Obszönitäten äußerte die Kölner WDR-Redakteurin Mercedes Iglesias die gleiche Auffassung: „Die deutschen Medien sind für MigrantInnen nur offen, wenn sie sich vollständig assimilieren.“ JournalistInnen hätten nur Aussichten, wenn alles Migrantische, etwa in der Sprache, abgeschliffen sei. Keine Chance hätten auch JournalistInnen, die wegen ihrer Tätigkeit aus ihren Heimatländern geflohen sind. „Es gibt keine Interkulturalität in den Medien“, sagte Iglesias.

Anerkennung von Qualifikationen – das lag auch den türkischen Wirtschaftsverbänden am Herzen, die sich in einem anderen Panel zu „MigrantInnen als Unternehmer“ äußerten. „Jemand kann in der Türkei 20 Jahre lang Haare geschnitten haben, hier ist er nicht mal ein Geselle“, beschwerte sich jemand. Ein Verbandssprecher wies darauf hin, dass es in Deutschland 300.000 von MigrantInnen geführte Unternehmen mit rund zwei Millionen Beschäftigten gebe. „Die migrantischen Unternehmer stellen oft auch Menschen ein, die so schlecht qualifiziert sind, dass sie woanders kaum etwas finden würden“, sagte der Inhaber einer großen Textilfirma.

Doch die deutsche Gesellschaft erkenne diesen großen Beitrag zu den Sozialkassen kaum an. „Es ist an der Zeit, dass das Potenzial der migrantischen Unternehmen von der Politik gewürdigt wird“, forderte Yildira Cengiz von der Allianz Türkisch-Europäischer Unternehmer. Stattdessen begegne man ihnen mit Skepsis: „Als Migrant muss man immer das Doppelte leisten. Uns hat man in der Schule schon nie etwas zugetraut, im Beruf ist das auch nicht anders“, klagte der türkischstämmige Inhaber einer Werbeagentur. Deshalb auch würden Migranten besonders häufig Existenzen gründen: „Für migrantische Arbeiter ist Mobbing nie nur Mobbing. Es ist immer auch eine Rassismuserfahrung.“