: Arroganz der Sportjournalisten
betr.: „Vorteil für Unruhestifter“, taz vom 12. 6. 08
Es ist schon eindrucksvoll, zu welch erstaunlichen Erkenntnissen Rainer Schäfer nach nur acht Gruppenspielen bei der Fußball-EM gelangt ist. Während Teams wie Kroatien einen Tempoverschleppungs-Fußball mit einer gewissen Beschränktheit praktizieren, gehört die deutsche Auswahl seiner Meinung nach zu den vier Mannschaften, die die Fans mit einer hohen Spielgeschwindigkeit, flottem Direktspiel, enormer Variabilität und hoher Passsicherheit verwöhnen, um nur einige Superlative wiederzugeben, die Schäfer aufgezählt hat.
Zweifelsohne hat die deutsche Mannschaft gegen Polen gut gespielt – allerdings nur die ersten 45 Minuten. Aber Hochgeschwindigkeits-Fußball war das beileibe nicht. Ich bezweifele auch, ob Rainer Schäfer Halbzeit zwei gesehen hat. Dann müssten seine Schlussfolgerungen ein wenig differenzierter ausfallen. Denn nach dem Seitenwechsel bestimmte die polnische Elf das Geschehen, erst ein Fehler eines polnischen Verteidigers entschied die Partie zugunsten des deutschen Teams. Von hoher Spielgeschwindigkeit, flottem Direktspiel oder enormer Variabilität war jedoch nicht viel zu sehen, geschweige denn von Passgenauigkeit.
Doch statt die Leistung der zweiten Halbzeit in seine Analyse mit einfließen zu lassen, werden lieber in herablassender Art und Weise fast alle anderen Teams abqualifiziert: Lethargische Russen, die wie Topfpflanzen verteidigen, müde Italiener, Folterfußball von den Griechen und derlei Urteile mehr fällt Rainer Schäfer in seinem Artikel. Letztlich verdeutlichen die von ihm verfassten Zeilen einmal mehr die Arroganz, mit der so manche Fernsehreporter und Sportjournalisten andere Teams beurteilen. PETER KONRAD, Peine