Reichtum als Erfahrung

Exprofi Yves Eigenrauch sinniert über den Umgang mit Wertgegenständen, lobt und kritisiert Günter Netzer und gibt zu, dass er das Tempo der EM selbst mit Fehlpässen nicht hätte mithalten können

YVES EIGENRAUCH, 37, war von 1990 bis 2002 Profi bei Schalke 04. Heute sorgt er sich vorwiegend um seine kleine Tochter.

VON YVES EIGENRAUCH

Vor nicht gar zu langer Zeit schrieb ich in dieser Zeitung: „Solange ich unter Menschen weile, die an ihrem Handgelenk Schmuck für eine Summe an Geld tragen, von der meine Familie prognostizierte zwei Jahre leben könnte, so lange hat der Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus für mich auch einen leichten, faden Beigeschmack. Business as usual halt!“ Das Geschriebene war wohl recht populistisch formuliert, schließlich trage ich an meinem Handgelenk zwar kein Armband von solchem Wert, jedoch Uhren, die teuer sind – wie ich finde. Mal eine für damalige 3.298 D-Mark, mal eine andere für damalige sage und schreibe 4.500 D-Mark. Oder aber eine Taschenuhr im Anzug für 1.800 D-Mark. Wahrscheinlich ist das alles nur eine Frage der Verhältnismäßigkeit?

Auch eine günstige Uhr würde ihren Dienst verrichten. Das weiß ich inzwischen, wobei ich auf die eine teure Uhr nicht verzichten werde, schließlich ist diese für mich ein Ersatz für einen Ehering. Anstelle von Eheringen – die meine Frau und ich blöd finden – haben wir beide nahezu identische Uhren – nur dass die meiner Frau etwas teurer war! Vielleicht hängt solch ein Konsumverhalten auch einfach mit Erfahrung zusammen. Natürlich kann ich einem Kind erklären: „Feuer ist heiß und tut weh, wenn man es berührt“, aber prägsamer ist es, wenn das Kind diese Erfahrung selbst macht. So habe ich jedenfalls für mich feststellen können, dass das Leben nicht schöner wird, wenn man irgendwelche Wertgegenstände besitzt.

So war ich vor einiger Zeit auch erstaunt, als ich davon las, dass Torsten Frings einen Hummer und andere Fahrzeuge besäße. Das hatte ich von ihm, der doch einen vernünftigen Eindruck machte, nicht erwartet. Er sei Autofan, war da zu lesen. Ein Hummer? Hmm, eigentlich ein Militärfahrzeug, für die Reichen und Schönen der Welt zum Straßenfahrzeug umgebaut. „Was soll das?“, fragte ich mich. Vielleicht Erfahrungen sammeln? Vielleicht um zu erfahren, dass ich nicht toller bin, wenn ich in einem Hummer sitze, statt mit der Straßenbahn zu fahren? Insofern erfreute es mich, als ich neulich hörte, dass Torsten eben jenen Hummer nicht mehr besäße – hat er seine Erfahrungen gemacht? Keine Ahnung, zumal ich mir nicht wirklich sicher bin, was ich von dem tagtäglich Berichteten glauben kann.

Noch etwas, zum Thema öffentliche Verkehrsmittel und Öffentlichkeit: Eigentlich geht es doch darum, das Normale im (vermeintlich) Besonderen herauszustellen – das kann helfen. Klar wird Jens Lehmann, führe er mit der Straßenbahn, angesprochen und um Autogramme gebeten, würde er auch „dumm“ angemacht, weil er wieder danebengegriffen habe. Auch würde mit dem Finger auf ihn gezeigt, und Köpfe drehten sich und Augen schauten ihm hinterher. Aber mal ehrlich: Zum einen ist es doch eine so einfache Möglichkeit, Menschen „glücklich“ zu machen, indem man ihnen einen ein Autogramm gibt oder mit ihnen kurz spricht, auf der anderen Seite kann es ihnen jedoch auch nicht schaden, wenn Jens sagte: „Ach, leckt mich am Arsch, ich habe keinen Bock darauf, lasst mich in Ruhe!“ Menschen sind Menschen und sollten nicht glauben, allem gerecht werden zu müssen. Sie sollten menschlich sein und bleiben und anderen Menschen zuweilen auch als Korrektiv dienen. VERSTANDEN?

Wie dem auch sei: Eigentlich wollte ich ja über Gerhard Delling und Günter Netzer schreiben. Letzterer verblüffte mich mit der Aussage (nicht wortwörtlich wiedergegeben), dass er schon glaube, auch heute noch bei den Balltretenden mithalten zu können. Abgesehen von der theoretischen Annahme: Ich persönlich könnte und wollte es jedenfalls nicht. Wow, viele Spiele habe ich zwar nicht gesehen (und schon gar nicht in voller Länge), aber was ich gesehen habe, das hat mich beindruckt. Frau, sind die EM-Spieler schnell, gewandt und ballsicher. Selbst Fehlpässe hätte ich zu meiner aktiven Zeit niemals so schön spielen können. Zeiten ändern sich halt. Und: Wenn ich Günter N. richtig verstanden haben sollte, so möchte ich ihm schreiben: „Sähe heute schlecht für dich aus, zumal du als doch recht individuelles Individuum im Korsett der Erwartungen wohl nicht durchkämest – Diplomsportlehrer, Ökotrophologen und Konsorten lassen grüßen.“ Vermute ich jedenfalls!

Und noch etwas: Ich nahm bis vor längerer Zeit an, dass du und Gerhard euch echt scheiße fändet. Bis mir jemand sagte, dass du der Taufpate des Kindes von G. D. seist. Sollte dem so sein, dann Respekt für die TV-Leistungen. Ich hörte früher häufiger „sechs, setzen“, doch euch wollte ich sodann schreiben „eins, setzen“. Besser geht nimmer.

Im Übrigen: Sollten meine Annahmen und Sichtweisen falsch sein, so möchte ich mich bei den Betroffenen entschuldigen und schreibe schon jetzt: T’schuldigung!