Segeln im Schatten Pekings

Bei der Kieler Woche wird es wegen der Olympischen Spiele kein Tornado-Rennen geben, aber dafür hölzernen Schönheiten und die Weltklasse im Starboot. „Motten“ gehen auch einmal Kapeister

VON RALF LORENZEN

Am Sonntagmittag sitzen zwei enttäuschte deutsche Olympiahoffnungen am Flughafen von Thessaloniki. Die letztjährigen Kieler Woche-Gewinner Johannes Polgar und Florian Spalteholz sind bei den gerade zu Ende gegangenen Europameisterschaften im Tornado-Segeln nur Elfte geworden. Bei der ägäischen Windlotterie haben die Segler aus Dänisch-Nienhof und Kiel nur Nieten gezogen. „Das war überhaupt nicht unsere Woche, die Generalprobe für Peking ist in die Hose gegangen“, räumt Steuermann Johannes Polgar ein.

Dazu kommt die Enttäuschung, auf der am Samstag von Bundeskanzlerin Merkel eröffneten Kieler Woche in ihrer Stammklasse nicht antreten zu können. Zwischen der Europameisterschaft in Griechenland und den Olympischen Spielen in Peking fanden sich nicht genug Boote, um ein ausreichend großes Starterfeld im Tornado zusammenzubekommen. „Natürlich hätten wir gern unseren Titel verteidigt. Nun schnuppern wir in andere Klassen rein und trainieren Kleinraum-Taktik“, sagt Polgar. Die dafür erforderlichen Eins-zu-eins-Situationen holen sich die beiden ab Mittwoch im Starboot (Polgar) und bei den Surfern (Spalteholz).

Über den taktischen Feinschliff hinaus erhofft sich Polgar nicht viel von seinem Ausflug in die Star-Klasse. „Für die Zeit nach Peking ist das eine Option“, sagt er. Aber sich einfach mal in ein Boot zu setzen und dann den Anspruch zu haben, vorn zu landen, wäre vermessen. Außerdem müsste ich für die Klasse 15 Kilo schwerer sein.“

Für das olympische Tornado-Rennen haben sich Polgar und Spalteholz so weit heruntergehungert, dass sie auf der Waage beim Check im Flughafen ihren Augen nicht trauten. „Wir wollten eigentlich zusammen mit 140 Kilo an den Start gehen, da sind wir schon drunter“, sagt Polgar.

Die Star-Klasse ist in Kiel am stärksten besetzt. Mit dem Brasilianer Robert Scheidt ist der Segler am Start, der am meisten Titel gesammelt hat. Dazu kommen der amtierenden Weltmeister Mateusz Kusznierewicz aus Polen und der mehrmalige Welt- und Europameister aus Schweden Frederik Lööf.

Insgesamt leidet das Teilnehmerfeld allerdings an der Nähe zu den Olympischen Spielen – zumal die Olympischen Klassen erst ab Mittwoch ins Rennen gehen. Die Wettkampfleitung hat den im vergangenen Jahr geänderten Ablauf wieder in die traditionelle Reihenfolge gebracht. Von den deutschen Olympioniken sind nur zwei Crews in ihrer angestammten Klasse am Start: die Brüder Peckolt im 49er und Petra Niemann im Laser-Radial.

Unter den 17 internationalen Klassen, die bis Dienstag ihre Bahnen drehen, gibt ist dafür eine besonders spektakuläre Klasse, wie Regatta-Sprecher Hermann Hell meint: „Die Motten sind eine Konstruktionsklasse mit sehr unterschiedlichen Ausführungen. Einige schweben fast über das Wasser, wie Tiefflieger, mit ganz wenig Wasserkontakt. Die segeln ganz dicht unter Land und gehen häufig auch mal Kapeister.“

Erstmals ist das Frauen-Match-Race im Programm, das 2012 olympisch wird. Und neben den europäischen Meisterschaften der X-35er Yachten und den Deutschen Meisterschaften der Seesegler gibt es an beiden Wochenenden noch einen besonderen Augenschmaus. Erstmals besucht eine große 12er-Flotte die Kieler Förde und nimmt an den Regatten teil. Hinter diesen „hölzernen Schönheiten“, wie Hermann Hell schwärmt, verbergen sich historische Schiffe, die früher unter anderem am America’s Cup teilgenommen haben. „Kiel bietet die ganze Bandbreite des Segelns, bis auf Strand- und Eissegler haben wir alles am Start“, sagt Hell.

Und wenn der ganze Trubel vorbei ist, steigen Johannes Polgar und Florian Spalteholz endlich wieder in den geliebten Tornado und nutzen die freien Bahnen vier Tage lang mit dem Bundestrainer zum Manövertraining für die Olympischen Spiele.