Lange vor der Stasi

Der Historiker Siegfried Grundmann erzählt die unglaubliche Geschichte der kommunistischen Werkspione im NS-Reich

Spätestens mit ihrem 12. Parteitag im Jahre 1929 waren die deutschen Kommunisten endgültig auf den politischen Kurs Stalins und der Weltrevolution unter Führung der Sowjetunion eingeschworen. Verbunden war damit auch der forcierte Aufbau einer sogenannten „Abteilung Militärpolitik“ (AM) innerhalb der KPD sowie darin eingebettet der weitere Ausbau eines „BB-Ressorts“, mit dem man bereits zwei Jahre zuvor begonnen hatte.

Das selbst in der eigenen Partei weitgehend unbekannte und streng abgeschottete „BB-Ressort“ war dabei für die so genannte „Betriebsberichterstattung“ zuständig. Zweck dieser Berichte aus Betrieben und Forschungseinrichtungen war vor allem die Weitergabe von Produktionsgeheimnissen an die Sowjetunion sowie die Nutzung der erlangten Erkenntnisse für Propagandazwecke.

„Werkspionage“ wäre somit der treffendere Ausdruck gewesen, denn alle Berichte, Forschungsergebnisse und sonstige Unterlagen (insbesondere aus der deutschen Rüstungsindustrie) wurden unmittelbar an die Spionageabteilung im Stab der Roten Armee weitergeleitet. Erst recht natürlich nach der Machtergreifung der Nazis. So verständlich diese Form des Widerstandes ist, so nachvollziehbar ist andererseits, dass das „BB-Ressort“ der Gestapo ein ganz besonderer Dorn im Auge war. Dennoch waren ihre Erfolge bei dessen Bekämpfung zunächst äußerst dürftig.

Über den hochkonspirativ arbeitenden Kreis der Männer und Frauen, die sich dieser Aufgabe verschrieben und entsprechende Schulungen durchlaufen hatten, wussten Hitlers Schergen außer seiner Existenz so gut wie nichts. Noch im Mai 1935 mussten sie feststellen, es sei bisher „nicht möglich, über dieses Ressort Näheres zu ermitteln“. Doch schon knapp fünf Monate später war der Apparat komplett aufgerollt.

Möglich wurde dies durch den erschreckend effektiven Einsatz von Spitzeln, nachdem es gelungen war, den ersten BB-Mann zu fassen. Viele wurden durch Folterungen zerbrochen oder durch Verweis auf mögliche erhebliche Repressalien gegen Familienangehörige zum Verrat gepresst (einige wenige liefen freiwillig über). So gelang der Gestapo Schlag auf Schlag: Im Oktober 1935 war das „BB-Ressort“ vernichtet.

Was danach kam, war lediglich noch eine Nachlese durch längere Observationen von übrig gebliebenen BB-MitarbeiterInnen. Anhand von aufgefundenen Dokumenten zeichnet der Historiker Siegfried Grundmann die komplette Zerschlagung des „BB-Ressorts“, die Lebensläufe der wichtigsten FunktionärInnen, ihrer Jäger und deren gedungener Jagdhunde nach.

Entdeckt hat er sie in Bundes- und Landesarchiven – und zu einem guten Teil in den Hinterlassenschaften der ehemaligen Stasi, die den geheimdienstlichen Zweig der KPD als Vorläuferorganisation ihres „Ministeriums für Staatssicherheit“ (MfS) betrachtete. Bereits Anfang der Achtzigerjahre hatte Stasi-Minister Erich Mielke einen entsprechenden Forschungsauftrag erteilt.

Vermutlich wird dieses Buch nicht sehr viele LeserInnen erreichen. Dennoch ist es eine verdienstvolle Arbeit. Ärgerlich allerdings ist das äußerst schlampige Lektorat des Verlags. Nicht nur, dass sich inhaltliche Doppelungen durchaus hätten vermeiden lassen – das Buch wimmelt zudem von Druckfehlern. Und das ist mehr als nur lästig.

OTTO DIEDERICHS

Siegfried Grundmann: „Der Geheimapparat der KPD im Visier der Gestapo. Das BB-Ressort: Funktionäre, Beamte, Spitzel, Spione“. Karl Dietz Verlag, Berlin 2008, 496 Seiten, 29,90 Euro