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Archiv-Artikel

Mehr Mut zu neuen Entwürfen

betr.: „Sehnsucht nach der totalen Krise“, „Entblößt, authentisch, peinlich“, taz.mag vom 28. 6. 08

Im Interview von Dirk Knipphals mit Jan Bosse und Armin Petras entpuppt sich die Sehnsucht nach der großen Krise als eine Hinwendung zum Gefühl, sich selbst spüren, pur! Kostbarer Moment, der durch die allseits präsente Ambivalenz oder „Mittelmäßigkeit als Lebenskonzept“ mit einem Grauschleier überzogen wird und in Stagnation enden kann. Die Lösung wird delegiert an Heilsbringer und Ouotenreißer. Also, ich wünsche mir vom Theater neben der Spiegelung innerer Zerrissenheit den Mut zu Entwürfen.

Aus ambivalenten Situationen auszusteigen, bedeutet, sich für eine Richtung zu entscheiden und eine Erfahrung zu machen, zu erleben, pur! Auszuprobieren, was passiert, wenn ich einem Weg folge, und dies als Grundlage für neue, weitere Entscheidungen nehmen. In ambivalenten Situationen oder Beziehungen zu verharren, heißt: nichts bewegt sich – ein Übergangskonzept, lösbar mit dem Mut zu Entscheidungen und den damit verbundenen Gefühlen, manchmal großen angenehmen und unangenehmen Gefühlen. Ich erinnere mich an Theaterstücke, in denen, wie Armin Petras sagt, Figuren keine Verbindung mehr zueinander haben. Wohl ein Ausdruck eines heutigen Lebensgefühls, aber ehrlich gesagt auch langweilig, grau. Depressionen entwickeln sich sowieso schon zur Volkskrankheit und stürmen den Gipfel der Hitlisten. Mehr Mut zu neuen Entwürfen. Lässt sich auch auf die Politik übertragen.

ANGELA BALLHAUS, Bielefeld