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Archiv-Artikel

hamburger szene Wir sind Weltmeister

Wenn ich gewusst hätte, dass es derart kompliziert werden würde, wäre ich zu Hause geblieben. Hätte mir den schlaftrunkenen Gang zum Bäcker erspart. Keinesfalls wäre ich derart forsch an die Theke getreten und hätte um „ein paar von den Mohnbrötchen da“ gebeten – dankbar, dass er mich um zwölf nicht fragt, warum ich „guten Morgen!“ sage.

Ich fand mein Ansinnen auch nicht abwegig, lagerte doch eine deutlich sichtbare Schicht feinen Mohns auf dem in Rede stehenden Gebäck. Aber der Bäcker wollte nicht. „Welche meine Sie?“, fragte er gedehnt. Ich zeigte erneut auf die Teilchen – die einzigen mohnhaltigen im ganzen Laden. „Ach sooo“, sagte er schließlich mitleidig. „Sie meinen die Weltmeister-Brötchen“. – „Ja, die“, versetzte ich und verkniff mir mühsam ein „ist doch egal, wie die heißen, Sie Besserwisser! Und jetzt kassieren Sie mal ein bisschen plötzlich!“

Aber mal unter uns: Ist es nicht wirklich wurscht, ob ein Brötchen Krückstock, Rapunzel oder Häschen in der Grube heißt? Ist nicht entscheidend, was drin ist beziehungsweise was hinten rauskommt, wie unser Ex-Ex-Kanzler befand?

Nein, ist es nicht. Jedenfalls nicht zwei Tage nach der knapp verpassten Europameisterschaft. Da MUSS einfach was Kompensatorisches her – und am besten setzt man noch eins oben drauf: „Weltmeister!“ – allein das auszusprechen macht heil und adelt. Und wenn es nur ein Brötchen ist. Von dem unsere Vize-Fußballer wohl niemals aßen. PETRA SCHELLEN