: „Das wird sich ändern“
Wenn sich ein Präsident danebenbenimmt: Nicolas Sarkozy gibt ein öffentlich-rechtliches Fernsehinterview
„Wir sind hier nicht im öffentlichen Dienst, sondern bei den Demonstranten“, empört sich Nicolas Sarkozy. Eine Maskenbildnerin pudert ihm die Gesichtshaut glatt. Und Frankreichs Präsident schimpft weiter: „Unglaublich ist das! Schlimm!“ Er presst die Lippen aufeinander, hackt mit dem Kinn ein paar Löcher in die Luft. Und sagt dann zweimal sehr energisch den Satz: „Das hier wird sich ändern.“
Und das meint er so. Sarkozy sitzt an diesem 1. Juli nämlich im Studio des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders France 3, ihm gegenüber ein Moderator und drei JournalistInnen. In wenigen Minuten beginnt ein Interview über die Pläne des Präsidenten für die sechsmonatige französische Ratspräsidentschaft, die an diesem Tag beginnt.
Doch die Stimmung zwischen dem Staatspräsidenten und den FernsehmacherInnen ist angespannt, seit Sarkozy Ende Juni seine Reformpläne für die öffentlich-rechtlichen Sender angekündigt hat. Er will die Werbung – eine Haupteinnahmequelle beim Fernsehen – verbieten. Und will künftige Senderchefs direkt von der Regierung ernennen lassen.
Schon bei seiner Ankunft empfangen ihn DemonstrantInnen. „Geiselnahme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens“, skandieren sie, als er aus dem Auto steigt. Und: „Rückkehr zum Propagandafernsehen.“ Als ein Tontechniker im Studio sein „Bonjour“ nicht erwidert, platzt dem Präsidenten der Kragen. Er schimpft über „schlechte Erziehung“, droht mit „Änderungen“, bittet darum, dass er zu einem bestimmten Thema befragt wird, und erkundigt sich hämisch, wie lange einer der Journalisten, der ihn interviewen wird, denn „im Schrank war“. – Der Journalist hatte nämlich Sarkozys Fernsehpläne kritisiert und war danach prompt eine Weile vom Bildschirm verschwunden.
Diese denkwürdigen siebeneinhalb Minuten im Studio vor Beginn des eigentlichen Interviews, die Sarkozys besonderes Verhältnis zu den Medien illustrieren, finden sich im Internet (rue89.com/2008/06/30/les-images-de-sarkozy-en-off-avant-son-interview-sur-france-3) und wurden ein Hit: In nur 24 Stunden haben mehr als 600.000 Menschen den Clip gesehen. Die Direktion von France 3 verurteilt erwartungsgemäß die Verbreitung des Videos und leitet interne Ermittlungen ein.
Im offiziellen Teil der Sendung rechtfertigte Sarkozy dann mit staatsmännischer Pose seine Fernsehpläne. „Ich werde Ihnen die Mittel für Ihre Entwicklung geben“, versichert er den FernsehmacherInnen, die befürchten, dass sie aushungern, wenn die Werbeeinnahmen plötzlich fehlen. Doch es dürfe „nicht sein, dass sich der öffentliche Dienst wie eine Sekte benimmt, die ab und zu auf die Straße geht“.
Das Interview verläuft nach einem seit Jahren eingeübten Ritual mit Präsidenten in Frankreich. Doch eine Journalistin im Studio sprengt den devoten Rahmen: Audrey Pulvar fragt nach der Einwanderungspolitik, eines der großen französischen Themen für die EU-Ratspräsidentschaft. Sie will wissen, wie viele Kontrollen und Festnahmen nötig sind, um die 25.000 AusländerInnen abzuschieben, die Sarkozy als jährliches Soll fixiert hat. DOROTHEA HAHN, PARIS