: Kunst im Kreisel
Verkehrskreisel bieten Grünflächen, auf denen sich wunderbar Kunst im öffentlichen Raum platzieren lässt. In Celle hat man jetzt eine erste Skulptur in einem Kreisel aufgestellt und denkt nun darüber nach, die ganze Stadt mit Kreiselkunst aufzuwerten
„Atreus“ (altgriech.= „furchtlos“) steht in Celle ziemlich einsam auf der Grünfläche eines Verkehrskreisels nahe dem Bahnhof. Die Skulptur des Bildhauers Hartmut Stielow, 51, aus Benthe bei Hannover könnte bald Zuwachs bekommen. „Atreus“ aufgestellt hat Robert Simon, Kunstsammler und Galerist aus Hannover, Jahrgang 1946, der in Celle ein eigenes Kunstmuseum betreibt.
„Wer mit Kunst in den öffentlichen Raum geht, muss sich darüber im Klaren sein, dass er die größten Diskussionen bei den Bürgern auslöst“, sagt Simon. Doch bislang blieben die Unkenrufe aus. Stielows Arbeit aus Stahl und Stein wirkt offenbar derart leicht, dass sie Celler Politiker sogar zu einer Idee beflügelt haben: die Grünen beantragen nun, dass sämtliche Verkehrsinseln der Heidestadt mit zeitgenössischen Skulpturen verschönert werden. „Die Kreisel bieten sich an, den Kunststandort Celle bekannter zu machen“, meint Grünen-Fraktionschef Bernd Zobel. Alle „großen“ und „mittleren“ Kreisverkehrsplätze könnten so aufgewertet werden. Ein Skulpturenparcours für Celle? Die Idee ist nicht ganz neu: In Hamburg beispielsweise hatte die dortige CDU Ende 2007 laut über künstlerisch gestaltete Verkehrsinsel nachgedacht, das dazugehörige Konzept allerdings wanderte aufgrund mangelnden Geldes wieder zurück in die Schublade.
In Celle soll die Auswahl von „verkehrstechnisch geeigneten“ Skulpturen der Kunstexperte Robert Simon übernehmen. Simon ist es gewohnt, sich für moderne Kunst stark zu machen: Als er in den 80er Jahren in Hannover seine Skulpturenmeile installierte, hagelte es Kritik. Heute gehören die Kunstwerke am Leineufer zwischen Landtag und Königsworther Platz zum Stadtbild. In Celle hat der Kunstsammler vor zwei Jahren den Umbau des Kunstmuseums vorangetrieben: Ein Glaswürfel als Eingangshalle leuchtet abends in allerlei Farben, tagsüber glänzt er wie ein riesiges Kristall. Auch in diesem Fall hieß es, der „hypermoderne Klotz“ passe nicht rein ins Celler Fachwerk. Robert Simon lächelte und saß die Sache aus.
Dass „Atreus“ nahe dem Celler Bahnhof noch keinerlei nennenswerte Kritik hervorruft, liegt vielleicht auch am Standort der Skulptur, etwas abseits der Innenstadt. Celles Oberbürgermeister Biermann aber meint, dass bald sehr viele Bürger von dem abstrakten Kunstwerk Kenntnis nehmen werden. In dem Bereich stehen nämlich umfangreiche Straßenbauarbeiten an: Kunst-Gucken im Stau. Überhaupt steht CDU-Politiker Biermann dem Grünen-Vorschlag für einen Celler Skulpturen-Parcours nicht abgeneigt gegenüber. Bei der Eröffnung einer Ausstellung berichtete er von dem „Antrag einer Ratsfraktion“ und erntete für den progressiven Grünen-Vorschlag Beifall von der regionalen Kunstszene.
Zunächst wird der Antrag der Celler Grünen nun durch die politischen Gremien gereicht. Für Robert Simon ist schon die Diskussion ein Erfolg: durch abstrakte Kunst im öffentlichen Raum baue er immer auch Schwellenangst ab, meint der Galerist. Hier habe er durch seine kontinuierliche Arbeit schon viel erreicht: „Die Leute haben heute mehr Zugang zur abstrakten Skulptur.“
Anregungen, wie ein Skulpturen-Parcours aussehen könnte, gibt es im Kunstmuseum Celle zu sehen. Dort gibt es neben Werken von Beuys und Christo eine aktuelle Sonderausstellung. Zu sehen sind Skulpturen von Friedrich Gräsel und Hartmut Stielow. LUKAS SANDER