: Die Frau aus dem Miso-Fass
Margrét Rós Harđardottir gehört zu den wenigen Künstlerinnen Islands, die in Deutschland ein Denkmal haben: Jetzt wurde es in der Bremischen Bürgerschaft enthüllt. Kenner ihres Oeuvres überrascht, dass es aus Bronze ist – und nicht aus Wolle
Margrét Rós Harđardottir ist 29 Jahre alt, stammt aus Island und will dort Präsidentin werden. Ihre Chancen sind vergleichsweise gut. Denn Island hatte mit Vigdís Finnbogadóttir 1980 das erste gewählte weibliche Staatsoberhaupt der Welt, es hat nur 316.252 EinwohnerInnen und Harđardottir hat immerhin schon ein Denkmal – der erste Schritt zu ewigem Ruhm.
Am Mitwoch wurde es in der Bremischen Bürgerschaft von Parlamentspräsident Christian Weber (SPD) enthüllt. Gefertigt hat die Bronzebüste von Margrét Rós Harđardottir – natürlich Margrét Rós Harđardottir, wer denn sonst? Als Abschiedsgeschenk hat sie es der Freien Hansestadt vermacht, „damit“, sagt sie, „etwas Haltbares von mir in Bremen bleibt“. Sie kehrt nämlich zurück nach Island. „Weil es mir hier so gut gefällt“, sagt sie, „und ich sonst für immer hier bleiben würde.“
An der Bremer Hochschule für Künste hat Harđardottir, nach Anfängen in Reykjavik, studiert. 2007 war sie dann Meisterschülerin bei Yuji Takeoka. Der ist ein anerkannter Vertreter der Minimal-Art-Plastik. Harđardottirs Geschenk allerdings ist figürlich und keineswegs aus vergoldetem Blech – ein Werkstoff den Takeoka in jüngster Zeit gern benutzt – sondern ganz klassisch: gegossene Bronze. Zum Zerwürfnis habe der unterschiedliche Ansatz nicht geführt, im Gegenteil. „Takeoka hat das Projekt unterstützt“, sagt die Isländerin. Dass Selbstporträt-Büsten eher selten sind, weiß sie auch genau: „Das macht man nicht“, sagt Harđardottir nach der Enthüllung, „das hat so etwas von Selbstüberschätzung“. Und eben darum habe sie es gemacht. Und das Material? Nun, Harđardottir hätte auch einen Comic-Video machen können. Aber es sollte ja ein Geschenk sein. „Und in diesem Rahmen ist Bronze das Angemessenste“, erläutert sie.
Wobei sie, bei aller Vielseitigkeit, häufiger mit Textilien als in Stein oder Metall arbeitet. In Erinnerung hat man von ihr Stofftier-Assemblagen wie Risæđla ađ rida kú, die aber momentan im Reykjavik Museum zu sehen ist: Sie zeigt einen Dinosaurier (Risæđla), der hinter einer Kuh (kyr, im Akkusativ: kú) steht. Und ađ rida? In der Hochsprache heißt das „auf ihr reitet“, aber im Slang natürlich: „sie fickt“. Das Werk entstand 2002 beim Fortgang aus Reykjavik. Es ist ein interessant-spielerisches Modell des Generationenkonflikts, der ja auch vor Bremen nicht halt macht. Die Künstlerin nennt es eine Jugendsünde.
Wuchtig auch ihr Gletscher, in zehn Monaten aus weit über 100 Kilo isländischer Schurwolle selbst gestrickt. Zuletzt hatte sie mit einer Performance in Japan auf sich aufmerksam gemacht. Elf Tage lang bewohnte sie ein ausrangiertes Miso-Fass, in das sie Besucher einlud: zum gemeinsamen Stricken – für sie eine nonverbale Art der Kommunikation.
Durch den Kontakt mit Fassbesuchern – in den elf Tagen war sie etwa vier Stunden allein in dem Behältnis – habe sie Japan besser kennengelernt, sagt sie, als es bei einer anderen Form des Reisens möglich gewesen wäre. Nur hatte sie halt keine Gelegenheit das Land als Touristin zu erkunden, „weil ich den größten Teil meiner Zeit dort im Fass zubrachte“. Aber das kann sie problemlos später einmal nachholen – bei der Sight-Seeing-Tour, die jedem Staatsbesucher zusteht.
„Nein, das kommt nicht ins Depot“, verspricht Präsident Weber, die Hand auf dem Bronzekopf. Damit ist Harđardottirs Konzept aufgegangen. Ein bisschen Ewigkeit ist der Künstlerin gewiss. Denn das Abschiedsgeschenk ist zugleich Harđardottirs Beitrag zur Abschluss-Ausstellung der HFK-MeisterschülerInnen: Das Video der festlichen Performance in der Bremischen Bürgerschaft wird dort gezeigt werden. Die Vernissage ist am 13. Juli in der Städtischen Galerie. Deren Thema: Unendlichkeit. BENNO SCHIRRMEISTER