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Archiv-Artikel

Kreuzberg–Rheinhessen: 627 Kilometer

Rolf Paasburg verkauft nicht nur Wein, er macht ihn auch. Und er liebt es, den Geruchssinn auf die Probe zu stellen. Teil 1 der taz-Serie über Berliner Weinhandlungen

Rolf Paasburgs Raum für ganz besondere Weinproben befindet sich in einem Bierkeller. Dort wo die Berliner Bockbrauerei einst ihre Biere vergor, gibt es heute eine – zurzeit noch von Hand betriebene – Lichtorgel. „Ihre Farben, Rot, Grün, Gelb oder Blau, beeinflussen die Wahrnehmung des Weinaromas“, sagt Rolf Paasburg. Bei gelbem Licht rieche man die Frucht, bei grünem Licht eher grasige, säuerliche Töne, meint der Weinhändler. Immer funktioniert dies freilich nicht. Was natürlich auch mit der Nase des jeweiligen Verkosters zusammenhängen mag. Ich jedenfalls habe die intensivsten Geruchseindrücke bei der Farbe Blau – und hier dürfte man der reinen Weinfarbenlehre nach eigentlich gar nichts riechen.

Rolf Paasburg liebt solche Experimente. Und weil es ihm nicht genügt, nur Wein zu verkaufen, stellt er diesen auch selbst her. Wie etwa jene Cuvée Blanc aus Rivaner, Silvaner, Riesling und Muskat, die er auf dem befreundeten Weingut Gutzler in Rheinhessen keltert. Dank ihrer Rebsorten hat die Cuvée sehr viel Aroma, zugleich aber auch etwas wenig Rückgrat, das heißt zu wenig Säure.

Überzeugender ist da schon Paasburgs Pinot Noir 627 aus dem Jahre 2005, den er aus Weinen aus 34 verschiedenen Fässern verschnitt. Er riecht nach Brombeeren und Veilchen, schmeckt kräftig und saftig. Der Namenszusatz 627 steht für die Zahl der Kilometer, die zwischen Paasburgs Weinladen in der Kreuzberger Fidicinstraße und dem Gutzler’schen Weingut in Gundheim liegen.

Experimentiert hat der 50-jährige Paasburg aber auch mit seinem Leben. Nachdem der in Hannover geborene Hotelierssohn seine Kochlehre abgebrochen hatte, „weil es dort zu viel Druck gab“, wurde er Polizist. Doch nach fünf Jahren und den gewaltsamen Demonstrationen gegen das Atomkraftwerk Brokdorf ging er 1981 nach Berlin, wo er zunächst eine Ausbildung als Bootsbauer begann. Zugleich jedoch verkaufte er Wein, wenig später entstand „Paasburg’s Wein Aus Leidenschaft“.

Heute bietet Rolf Paasburg auf 350 Quadratmetern rund 600 verschiedene Weine und Spirituosen an. Nicht nur aus Europa, sondern auch aus Übersee, der Schwerpunkt liegt jedoch auf deutschen und französischen Produkten. Die Mehrzahl kostet zwischen 7 und 15 Euro, darunter auch viele Bio-Weine. Zu Paasburgs besten gehören sicher Reinhard Löwensteins Moselriesling und die Weißweine vom Pfälzer Weingut Christmann. Neben die bekannten Namen tritt Unbekanntes: der Gutedel vom kleinen Weingut Jähnisch aus dem Markgräflerland etwa oder der einfache rote französische Landwein RN 13, der sich „Vin de pique-nique“ nennt und daher praktischerweise mit einem Bügelverschluss ausgerüstet wurde.

„Wein Aus Leidenschaft“ wurde 2006/07 von den Lesern des Berliner Weinführers zur besten Weinhandlung der Hauptstadt gewählt und auch in diesem Jahr rechnet man sich wieder gute Chancen aus.

Tatsächlich gibt es bei Rolf Paasburg nichts, was auf gar keinen Gefallen treffen würde. Doch vielleicht liegt darin auch ein Problem. Denn manchmal wünscht man sich einen Wein mit mehr Ecken und Kanten. Einen Wein, der sich nicht offenbart, über den man etwas länger nachdenken muss. Um noch einmal auf die Experimente zurückzukommen: Hier wären ein paar mehr ganz angebracht.

SABINE HERRE

Der Weinladen: Paasburg’s Wein aus Leidenschaft, Fidicinstraße 3, 10965 Berlin, U-Bahnhof „Platz der Luftbrücke“, www.paasburg.de, Telefon: (0 30) 61 10 18 38, Öffnungszeiten: Mo.–Fr. 10–18 Uhr, Sa. 11–14 Uhr

Das besondere Angebot: Alle Weine bis 10 Euro können verkostet werden. Es gibt Weinseminare für Frauen – und ab Herbst auch für Singles. In den Kellern der Weinhandlung wurden Depots eingerichtet, die man zur fachgerechten Lagerung von Weinen mieten kann.

Der Weintipp von Rolf Paasburg: Pinot Noir Rosé 2007, Weingut Horcher, Kallstadt/Pfalz, 8,95 Euro. „Der Wein ist lachsfarben und duftet dezent nach Erdbeeren. Die Fruchtigkeit setzt sich auf der Zunge fort, ein sehr schlanker, eleganter Wein“.

Und nächsten Dienstag: Wein & Glas Compagnie in Wilmersdorf