Der Geläuterte

Ausgerechnet der geständige Doper Bjarne Riis dominiert mit dem von ihm geleiteten Team CSC die Tour de France

BOURG D’OISANS taz ■ Bjarne Riis ist eigentlich kein überschwänglicher Typ, selbst bei seinem eigenen Tour-de-France-Sieg 1996 jubelte der lange Däne nur verhalten. Seine Welt sind die nüchterne Analyse und die akribische Vorbereitung; Leidenschaft überlässt er anderen. Umso erstaunlicher war es, wie gelöst der Chef der Mannschaft CSC am Mittwochabend wirkte. „Ich bin wirklich sehr, sehr stolz und glücklich“, sagte er, nachdem sein Fahrer Carlos Sastre auf der Königsetappe der diesjährigen Tour nach L’Alpe d’Huez das Gelbe Trikot übernommen hatte, dicht gefolgt von seinem Mannschaftskameraden Frank Schleck.

Natürlich hatte Riis auch viel Grund zur Freude. Ihm war in L’Alpe d’Huez ein genialer Taktik-Coup gelungen. Während die Konkurrenz nervös Frank Schleck, den Träger des Gelben Trikots, bewachte, griff Sastre an. Beinahe unbehelligt fuhr der bis dahin Viertplazierte der Konkurrenz davon und ist jetzt in einer hervorragenden Ausgangsposition, um die Tour zu gewinnen. Zumal Schleck direkt hinter ihm sitzt. CSC hat die Tour fest im Griff.

Das verschafft Riis eine tiefe Befriedigung. Vor einem Jahr noch war der Däne hier in Frankreich nämlich noch Persona non grata, man wollte ihn lieber nicht bei der Tour dabeihaben. Er hatte kurz zuvor gestanden, bei seinem Tour-Sieg 1996 gedopt zu haben. Die Tour-Direktion strich ihn daraufhin aus ihren Siegerlisten, Riis ließ seine Mannschaft ohne seine Führung antreten und schaute sich die Tour zuhause am Fernsehen an.

Mittlerweile wird er wieder geduldet in Frankreich. Sogar im offiziellen Geschichtsbuch der Tour wird er wieder als Sieger aufgeführt. Sein Name ist lediglich mit dem Eintrag versehen worden, dass er die Epo-Einnahme damals zugegeben hat. Einschränkend ist jedoch angefügt, dass das Mittel damals noch nicht auf der Dopingliste stand. Tour-Chef Christian Prudhomme nennt praktische Gründe dafür, dass Riis sich wieder Tour-Sieger nennen darf: „Wo sollen wir anfangen und wo sollen wir aufhören, wenn wir jetzt anfangen die Geschichtsbücher umzuschreiben?“

In nur einem Jahr also ist Riis ein wundersames Comeback vom Aussätzigen zum Beherrscher der Tour de France gelungen. Den Proklamationen einer erneuten Tour der Erneuerungen von Tour-Chef Prudhomme scheint das freilich zuwiderzulaufen. Die vorgebliche Grundrenovierung des bröckeligen Gebäudes Tour mit demselben Personal, das die Schäden angerichtet hat, wirkt wenig glaubhaft.

Doch der Bjarne Riis des Jahres 2008 gibt sich geläutert. „Je mehr Dopingkontrollen wir haben, desto besser“, sagt er. Und tatsächlich sind das nicht nur Parolen: Riis’ Mannschaft CSC hat auch nach Expertenmeinung das wirkungsvollste Selbstkontrollprogramm, das es nicht nur im Radsport gibt, sondern im Sport insgesamt. Die Proben werden von unabhängigen Testern vorgenommen, die Analysen werden erst an den Radsportverband und dann an die Welt-Anti-Doping-Agentur weiter geleitet, bevor sie wieder bei Riis auf dem Tisch landen. Manipulation oder Vertuschung ist praktisch ausgeschlossen.

Diese freiwillige Selbstkontrolle macht Riis sehr selbstsicher. So sicher, dass er für seine Fahrer sogar die Hand ins Feuer legen möchte. „Wir können beweisen, dass wir sauber sind“, sagt er. Die Aussage ist mutig, kein anderer Sportlicher Leiter im Feld wagt es, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen.

SEBASTIAN MOLL