: Siemens will von Ex-Chefs Geld
Schmiergeldskandal mit Folgen: Der Münchner Technologiekonzern verklagt elf ehemalige Spitzenmanager auf Schadenersatz. Darunter auch: Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld
AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER
Kaum ist das erste Gerichtsurteil gesprochen im Falle der schwarzen Kassen von Siemens, kommt auch schon der zivilrechtliche Nachschlag: Der Aufsichtsrat des Münchner Konzerns kündigte am Dienstag an, von elf ehemaligen Mitgliedern des Zentralvorstands Schadenersatz zu verlangen, unter anderem auch von Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld.
Die Manager hätten in den Jahren 2003 bis 2006 ihre Aufsichtspflichten verletzt. Damit seien illegale Geschäftspraktiken möglich geworden, etwa der Aufbau der geschmierten Gewerkschaft AUB und „umfangreiche Bestechungen im ausländischen Geschäftsverkehr“, die das Unternehmen letztendlich millionenschwer belastet hätten.
Unternehmenskreise bestätigten der taz, dass das Unternehmen alle restlichen Verbindungen zu den Exmanagern kappen will. Sie sollen nicht mehr bei Mandaten unterstützt werden, auch Beraterverträge würden gekündigt. Außerdem könnten sie nicht mehr auf Vergünstigungen wie Dienstwagen oder Büros in Konzerngebäuden zurückgreifen. Damit verliert Ex-Konzern- und -Aufsichtsratschef Pierer auch sein Büro in der Münchner Zentrale.
Bereits Ende letzten Jahres hat der neue Konzernchef Peter Löscher die Führungskräfte wissen lassen, dass niemand die Korruptionsvorwürfe „mit einfachem Bedauern abhaken“ könne. Grund sind die ungehaltenen Aktionäre. „Der Aufsichtsrat muss handeln, um nicht selbst schadenersatzpflichtig zu werden“, erläuterte ein Unternehmenssprecher.
Seit dem sogenannten Arag-Urteil im Jahr 1997 hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgelegt, dass die aufsichtsführenden Gremien Sanktionen ergreifen müssen, da sie sonst selbst zur Verantwortung gezogen werden können. Neben dem kaum bezifferbaren Imageverlust musste Siemens bislang 1,3 Milliarden Euro zur Bewältigung der Schmiergeldaffäre aufwenden. Hauptkostenpunkt waren dabei Bußgelder und Beraterkosten.
Für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ist die Entscheidung des Aufsichtsrats „konsequent“. Auch die DSW weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BGH keine andere Entscheidung hätte erfolgen können. Zwar seien die erwartbaren Schadenersatzzahlungen für Siemens wohl nur eher symbolische Größen, aber dennoch in ihren Dimensionen einzigartig in Deutschland.
„Dieser Fall hat Signalwirkung für die gesamte deutsche Wirtschaft. Spätestens jetzt wissen korrupte Manager, was sie zu erwarten haben“, sagte DSW-Sprecher Marco Carbas der taz. Auch wenn die Manager mit ihrem korrupten Handeln vielleicht den Unternehmensgewinn steigern wollten, sei es nun einmal „erste Pflicht“, sich an die Gesetze zu halten. Zugleich warnte er vor einer übermäßigen Risikoscheu in deutschen Unternehmen. Schon seit 2005 sei gesetzlich geregelt, dass „der Manager ruhig Fehler machen darf – aber er muss begründet abwägen und sich an die Gesetze halten“, sagt Carbas.