Schule bis zur Rente

Rot-grüne Reform des Bildungsurlaubs: Künftig sollen Arbeitnehmer sich auch kürzer, aber öfter fortbilden können. Arbeitnehmerkammer ist angetan, FDP will die Idee schon vorher gehabt haben

Von Christian Jakob

Der Name ist etwas unverdaulich, aber in der Sache soll es Erleichterung bringen: Rot-Grün hat eine Initiative für ein „Bremisches Gesetz zur Bildungsfreistellung für Lebensbegleitendes Lernen“ auf den Weg gebracht. Die 13 Paragraphen, die nach der Sommerpause von der Bürgerschaft wohl verabschiedet werden, ersetzen das bisherige, bodenständig betitelte „Bildungsurlaubsgesetz“ von 1974.

Kern der Neuregelung: Künftig soll es möglich sein, die fünf jedem Arbeitnehmer bei vollem Lohnausgleich jährlich zustehenden Bildungsurlaubstage zu splitten. Bisher mussten sie im Ganzen in Anspruch genommen werden. Zudem sollen auch private Weiterbildungsanbieter zugelassen werden.

Die Koalition begründete den Vorstoß mit einem „erheblich Nachholbedarf“ bei der Weiterbildungsquote. Derzeit nehmen weniger als fünf Prozent aller ArbeitnehmerInnen in Bremen Bildungsurlaub wahr. Im Koalitionsvertrag hatte Rot-Grün sich verpflichtet, darauf hinzuarbeiten, die EU-Zielquote von 12,5 Prozent im Jahr 2010 zu erreichen.

In dem parlamentarischen Antrag heißt es, „vor dem Hintergrund, der ständigen tiefgreifenden Wandlung von Wissen reicht eine Berufsbildung nicht mehr ein ganzes Leben.“ Stattdessen sei „eine Kultur des lebensbegleitenden Lernens“ nötig,“ sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Silvia Schön. Angesichts der demographischen Entwicklung dürfe die Weiterbildungsbereitschaft „von der Wirtschaft nicht als Kostenfaktor diskreditiert werden“, so Schön.

Der Geschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Hans Endl nannte die von Rot-Grün geplante Splitting-Möglichkeit „klug“. Insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen sei die Hemmschwelle sehr groß, sich zur Fortbildung eine ganze Woche freizunehmen. „Und ich sage ausdrücklich, dass es hier oft nicht der Chef ist, der die Nase rümpft, sondern die Kollegen, die Druck ausüben“, so Endl. Die Möglichkeit, mehrfach, aber kürzer abwesend zu sein, werde die Hemmschwelle senken. Derzeit, so Endl, würden fast nur Beschäftigte des öffentlichen Dienstes oder Angestellte von Großunternehmen Bildungsurlaub nutzen. Hinzu komme, dass der Altersdurchschnitt in den Seminaren stetig steige. „Wir müssen jungen Kollegen viel stärker deutlich machen, was lebenslanges Lernen heißt“, sagte Endl.

Die FDP verwies darauf, dass sie bereits im Juni einen Antrag zum Bildungsurlaub in die Bürgerschaft eingebracht. Auch dieser habe die Möglichkeit vorgesehen, die Bildungstage zu splitten und private Träger zuzulassen, sei aber von der Regierungsmehrheit abgelehnt worden. FDP-Sprecher Horst Janke warf Rot-Grün deshalb vor, bei den Liberalen „abgekupfert“ zu haben. Die FDP hatte allerdings auch geplant, dass Arbeitnehmer für jeden in Anspruch genommenen Bildungsurlaubstag auch einen Tag ihres privaten Jahresurlaubs einbringen sollten. Der liberale Arbeitsmarktpolitiker Oliver Möllenstädt nannte dies „nur fair, weil der Arbeitnehmer ja schließlich auch von der Weiterbildung profitiert“.

Die Grünen-Politikerin Schön wies die FDP-Kritik zurück: „Die sollen jetzt nicht so pharisäerhaft daherkommen: Die wollten das platt machen, wir wollen mehr davon“, sagte sie. Es sei klar, „dass das Arbeitnehmer abschreckt, wenn man ihren Jahresurlaub reduziert, wenn sie sich weiterbilden“.