darry-prozess : Wo der Wille endet
„Patienten lügen“, glaubt der TV-Arzt Dr. House und behält damit meist Recht. Lügen ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft. So handelte auch Steffi K., die Mutter aus Darry, zutiefst menschlich: Indem sie ihren Arzt und ihre Umgebung über ihre Symptome belog – und indem sie ihre Kinder tötete. Denn in ihrer wahnhaften Sicht war ihr Verhalten richtig. Die Frage lautet: Hätten die Fachleute erkennen können, dass K. log? Und hätten sie die Frau auch gegen ihren Willen einzuweisen gehabt?
KOMMENTAR VON ESTHER GEISSLINGER
Keine Frage: Die schrecklichen alten Zeiten, in denen das Wort eines Vaters, eines Ehemanns reichte, um eine Frau jahrelang einzusperren, dürfen nie zurückkehren. Es ist eine große Errungenschaft, dass auch bei psychischen Krankheiten in erster Linie der Betroffene gehört und sein Wille ernst genommen wird.
Manchmal jedoch ist die Krankheit so stark, dass dieser Wille nicht mehr zählen darf. Dafür gibt es die Zwangseinweisung – sie soll schützen, nicht strafen. Es hat Warnhinweise gegeben: Die Diagnose wurde früh gestellt. Der Ehemann bat um Hilfe, doch Behörden und Therapeut verwiesen auf den Willen der Frau. Ob ihnen Fehlverhalten nachzuweisen ist, ist fraglich.
Der Fall Darry mag eine Mahnung sein, in Zweifelsfällen auch die Meinung Angehöriger einzubeziehen. Psychisch Kranke sind Menschen – und Menschen lügen nun mal.