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Archiv-Artikel

ein gentleman riecht strenger als sein hund von RALF SOTSCHECK

Olympische Spiele sind etwas für kleine Leute. Der Engländer, der etwas auf sich hält, hat Bedeutenderes im Sinn: Vorigen Dienstag wurde die Moorhuhn-Jagdsaison eröffnet. Seitdem geht es dem Federvieh wieder an den Kragen. Dabei gilt es, auf die Etikette zu achten. Es kommt auf britisches Understatement an.

Wer in brandneuen Knickerbockern zur Jagd kommt, ist schon unten durch. „Ein Gentleman trägt Tweed, der genauso verwittert ist wie die Rüstung seines Ahnen, die der in der Schlacht von Agincourt getragen hat“, erklärte der Daily Telegraph. Falls man sich aber doch irgendwann neue Kleidung kaufen muss, sollte man mehrmals mit dem Traktor drüberfahren. „Der Geruchssinn darf ebenfalls nicht vernachlässigt werden“, mahnt das Blatt. „Wer nicht strenger als seine nassen Jagdhunde riecht, riskiert seinen guten Ruf.“

Wenn man einen anderen Jäger erschießt, gilt das als Unfall, lautet ein ehernes Gesetz. Schießt man aber den Jagdtreiber an, so ist das unverzeihlich. Der Herzog von Wellington, der mit Blüchers Hilfe Napoleon bei Waterloo besiegt hatte, war bei der Moorhuhnjagd gefürchteter als auf dem Schlachtfeld. Als er seinen Freund Lord Granville 1823 besuchte, feuerte er ihm versehentlich eine Schrotladung ins Gesicht. Kurz darauf schoss der Herzog bei einem Jagdausflug auf Lady Shelleys Gut eine Magd an, die gerade die Wäsche aufhängte. Als die wie am Spieß schrie, beruhigte Lady Shelley sie mit den Worten: „Dir ist eine große Ehre zuteilgeworden. Du hast soeben die Auszeichnung erhalten, vom Herzog von Wellington angeschossen worden zu sein.“

William Whitelaw, der erste Nordirlandminister nach Einführung der Direktherrschaft 1972, war bei der Moorhuhnjagd noch unfähiger als in der Politik. Bei einem Jagdausflug verletzte er einen Wildpfleger mit einem Querschläger, während er gleichzeitig mit seiner anderen Waffe einem Freund in den Hintern schoss. Danach gab er die Jagd für immer auf, aber leider nicht die Politik.

Eine neuere Regel besagt, dass man sich als Emporkömmling aus der Stadt entlarvt, wenn man zu gierig ist und zu viele Moorhühner an einem Tag abknallt. Früher galt die Schießwut keineswegs als Charakterlosigkeit. Als der Graf von Malmesbury 1841 starb, fand man in seinen Akten akribische Aufzeichnungen über das Blutbad, das er zu Lebzeiten in der Vogelwelt angerichtet hatte: 10.744 Rebhühner, 8.862 Fasane, 4.694 Sumpfschnepfen und 1.080 Waldschnepfen gingen auf sein Konto. Er hatte in seinem Leben mehr als vier Tonnen Munition verballert.

Sein Nachfahr Lord Walsingham schaffte es, 1.070 Moorhühner an einem einzigen Tag zu erlegen. Zweimal gelang ihm dabei das Kunststück, drei Vögel mit einem Schuss zu töten. Im folgenden Jahr stellte er einen anderen Rekord auf: Er knallte 191 Viecher aus 19 verschiedenen Tierarten an einem Tag ab, darunter eine Ratte und einen Hecht.

Was macht man mit den toten Tieren? Mit Moorhühnern ist es wie mit dem Beaujolais nouveau: 1997 wurde das erste Moorhuhn der Saison mit der Concorde nach New York geflogen, wo es am Abend im Restaurant Daniel serviert wurde. Mehr kann ein Moorhuhn nicht erreichen.